Samstag, Juli 19, 2003

Oberster Gerichtshof für Amerikanismus
Der Oberste Gerichtshof der USA hat in einer 6:3 Entscheidung das Sodomie-Gesetz des Bundesstaates Texas, welches homosexuellen Sex unter Strafe stellt, für verfassungswidrig erklärt. Richter Antonin Scalia, der die Minderheitsmeinung vertrat, sprach von einem "kulturellen Krieg", in dem sich die Mehrheit des Gerichts auf die Seite der Homosexualität geschlagen habe.

Ich möchte an dieser Stelle nicht verschweigen, dass Ayn Rand einige sehr abfällige Bemerkungen über Homosexualität gemacht hat. In dieser Frage war Rand sicherlich auch ein Kind ihrer Zeit. Aber selbst das Ayn Rand Institute als besonders dogmatischer Organisation wiederholt diese Äußerungen heute nicht mehr, auch im Zusammenhang mit dem ergangenen Urteil nicht. In der unten zitierten Stellungnahme von Harry Binswanger vom Ayn Rand Institute gibt es nur einen sehr dezenten Hinweis auf die früher eher -vorsichtig formliert- distanzierte Haltung gegenüber homosexuellen Handlungen. Deutlich betont Binswanger das Recht auf Privatheit gegen die Anmaßungen einer sog. "moralischen Mehrheit." Tatsächlich wäre es auch der Sache des Objektivismus als individualistischer Philosophie sehr abträglich, wenn man Menschen vor den Kopf stoßen würde, die vom linken Kollektivismus abgestoßen werden, der ihr Selbstbestimmung im Schlafzimmer verspricht, aber jeden anderen Aspekt ihres Lebens kontrollieren will, und die sich auf der Suche befinden nach wirklichem Individualismus.

Die konservativen Gegner dieses Urteils argumentieren unter anderem auch mit den Rechten der Bundesstaaten, die derartige Gesetze durch Mehrheitsbeschlüsse verabschiedet hätten.
Der objektivistische Wissenschaftler Dr. Harry Binswanger erklärt in einem Leserbrief an The New York Sun, warum dieses Argument falsch ist:
"Scalia schreibt in seiner abweichenden Stellungnahme in der Sodomie-Entscheidung: 'Es ist eine Prämisse unseres Systems, dass diese Urteile vom Volk gemacht werden und nicht von einer Regierungskaste auferlegt werden."

"Klingt so, als wolle er einen aufdringlichen Staat aus dem Leben der Menschen heraushalten,
nicht wahr? Aber sehen wir uns an welchen Schalter er gedrückt hat: die 'Urteile', die er schützen möchte sind die Gesetze, die im Parlament des Staates Texas verabschiedet wurden -Gesetze, die Menschen für ein Verhalten verhaften lassen, dass -was immer man darüber denkt- eindeutig im Rahmen ihrer Rechte liegt. Die 'aufdringliche Regierungskaste' ist das Parlament von Texas, welchem der Oberste Gerichtshof zu Recht gesagt hat: Hört auf, Leute zu verhaften für private, friedliche, einvernehmliche Aktivitäten."
"Ja, ich bin sicher, dass das texanische Gesetz den Willen der Mehrheit der Texaner wiederspiegelt. Na und? Die Sklaverei präsentierte den Willen der Mehrheit im Süden vor dem Bürgerkrieg. Hitlers Reich reflektierte den Willen der Mehrheit der Deutschen in der Nazi-Ära."
"Unbegrenzte Mehrheitsherrschaft ist eine Form des Etatismus, nicht Amerikanismus. (...) Ein Recht ist ein individueller Schutz gegen den Willen jedes Kollektivs, egal ob dieses Kollektiv "the State", "the people" oder "Das Volk" (Anmerkung: Deutsch im Original) genannt wird.

Keine Kommentare: