Donnerstag, November 04, 2004

Demokraten hätten die Wahl gewinnen können
Aber nicht mit diesem Kandidaten! Der Tag danach; Wundenlecken bei den Demokraten: republikanische Präsidentschaft, Senat und Repräsentantenhaus. Welche Lehre ziehen Demokraten daraus? Anstatt nach Fehlern zu suchen, hat John Kerry bei seiner Concession Speech gleich damit angefangen zu sagen, was republikanische Politiker jetzt zu tun hätten: "national unity", bla bla bla, "reach over the aisle", bla bla bla, "end polarization and partisanship", bla bla bla, "common effort". Die Verlierer haben den Gewinnern nichts zu bieten, verlangen aber von den Gewinnern, ihre politischen Überzeugungen aufzugeben und kollektivistische Einheit zu praktizieren. Die Demokraten hätten diese Wahl gewinnen können, wenn sie einen Kandidaten aufgestellt hätten, der verteidigungspolitisch als stark gegolten hätte, der fiskal konservativ gewesen wäre, und der beim Rest seiner Ansichten als "moderat" gegolten hätte. Der geeignete Kandidat dafür wäre Wesley Clark gewesen, der als NATO-General im Kosovokrieg eine harte Linie gefahren hat. Clark hatte sich ebenfalls schon einmal überlegt für die Republikaner für das Präsidentenamt ins Rennen zu gehen. Stattdessen waren Demokraten versessen darauf, G. W. Bushs militärisches Vorgehen zu kritisieren und bei den Vorwahlen Kandidaten zu wählen, die ultralinks sind. Wenn sich die Demokraten noch etwas dümmer angestellt hätten, hätten sie neben einer Handvoll von Senatssitzen sogar noch ihre Sperrminorität im Senat von 40 Sitzen verloren. Dann hätte G. W. Bush fast schon den Papst persönlich in den Supreme Court berufen können. Diese Sperrminorität ist erhalten geblieben ( Reps 55, Dems 45; und selbst der Minderheitsführer der Demokraten Tom Dashle hat seinen Sitz verloren), und sie ist wichtig, um religiöse Richter und Bush´s religiöse Agenda aufzuhalten. Sie bedeutet aber auch, dass z. B. Steuersenkungen und Sozialreformen aufgehalten werden können. Ein ähnliches Bild im Repräsentantenhaus: ebenfalls einige Sitzverluste für die Demokraten. Das einzige Eingeständnis kam bisher von der Minderheitsführerin des Repäsentantenhauses Nancy Pelosi: "Wir haben so ziemlich alles verloren, was man hätte verlieren können." Anscheinend haben sie aber immer noch nichts gelernt. Vom Regen geht es in die Traufe und es steht schon die nächste Katastrophe für die Demokraten bereit: der neu gewählte demokratische Senator Obama wird als nächster Präsidentschaftskandidat gehandelt. Bezeichnung von Robert Tracinski für diesen Herrn: "an outright socialist". Demokraten haben einen langen Weg des Untergangs gewählt: von der Old Left, über die New Left, zur Angry Left: was kommt dann noch? Muss die Demokratische Partei erst in die Bedeutungslosigkeit versinken, ehe dort ein Lernprozess eintritt? Es gäbe so viele Punkte, die man an Präsident Bush legitim kritisieren könnte. Seine ganze religiöse Linie: die Gefahr der Vermischung von Staat und Kirche, seine Ablehnung des gesamten Gebiets der Biotechnologie, Genforschung, Stammzellenforschung, seine Ablehnung von Abtreibung. (Die Aussetzung von Bürgerrechten im Namen der Terrorbekämpfung wurde von Demokraten zu recht kritisiert: Terror bekämpft man nicht dadurch, dass man die eigene Nation zum Polizeistaat macht). In der Demokratischen Partei muss eine Neuausrichtung stattfinden.Wenn die Demokraten wieder regierungsfähig werden wollen, müssen sie Kandidaten aufstellen, die eine ökonomisch freundliche Politik machen, die eine verteidigungspolitisch starke Linie vertreten, und die einen gemässigten säkularen Standpunkt haben.
Amerika ist gespalten - gut so
In Deutschland hören wir nach Wahlsieg von Präsident Bush immer wieder die Phrase, dass Amerika doch "tief gespalten" sei, was wohl suggerieren soll, dass es jetzt darum gehe, dass Land zu "versöhnen". Aber auf welcher Basis soll diese Versöhnung stattfinden? Michael Hurd weist in seinem Kommentar richtigerweise darauf hin, dass Spaltungen bei einer Auseinandersetzung um fundamentale Prinzipien immer noch besser sind als wenn "idiotische Ansichten von solchen Leuten wie John Kerry, Michael Moore und Jimmy Carter den Sieg davon tragen würden." Besser wäre natürlich eine Situation, wo das richtige Prinzip eine überwältigende Mehrheit davon tragen würde, aber wenn dies nicht möglich ist, sind Spaltungen weitaus erträglicher als ein Sieg des falschen Prinzips. John Kerry ist ein Pazifist mit Fussnote ("Ja, wenn Amerika angegriffen wird. Ja, wenn die Vereinten Nationen zustimmen. Ja, wenn...), wohingegen Präsident Bush für das Prinzip steht, dass die USA offensiv gegen Staaten vorgehen können, die den Terror unsterstützen, ob mit Billigung der Vereinten Nationen oder ohne. Diesem Prinzip hat eine Mehrheit der amerikanischen Wähler zugestimmt, und dies ist gut so.



Dienstag, November 02, 2004

Hughins: Bushs Religion ist keine Bedrohung
Auch Ed Hughins vom Objectivist Center (TOC) hat sich in einem Diskussionsbeitrag für das Forum objectivismonline.net für die Wiederwahl von Präsident Bush ausgesprochen. Hughins sieht insbesondere keine drohende Gefahr einer Theokratie in Amerika: "Wir sind nicht meilenweit davon entfernt, ein neues Iran zu werden, wir sind Lichtjahre davon entfernt." Hughins vergleicht die politische und kulturelle Situation in den USA mit der aus den 50er Jahren, wo viele Dinge selbstverständlich waren, für die heute die Religiösen noch nicht einmal kämpfen würden. Heute kämpft die religiöse Rechte gegen die Homo-Ehe, aber sie kämpft nicht gegen eine Illegalisierung der Homosexualtität an sich. Hughins weist auch die Hoffnung zurück, die Niederlage von Bush könnte dazu führen, dass die Republikaner bei der nächsten Wahl einen weniger religiösen Kandidaten präsentieren könnten. Die GOP könnte die Niederlage Bushs auch in dem Sinne werten, dass die Öffentlichkeit einen weicheren Kandidaten wünsche, der die Vereinten Nationen oder die NATO um Erlaubnis bitte, Amerika verteidigen zu dürfen. Ich möchte Hughins zustimmen, dass es bei dieser Wahl um eine Volksabstimmung über das Cowboyimage -tatsächlich ist Bush weit weniger der Cowboy als viele Europäer befürchten- des Präsidenten geht, und eine Wahl Kerrys würde der Welt mitteilen, dass die Amerikaner die "Cowboy-"Attitüde bei der Bekämpfung der Terroristen ihres Präsidenten zurückweisen. Zur Figur des Cowboys siehe auch Andrew Bernsteins Aufsatz In Defense of the Cowboy ("Für die meisten Amerikaner ist der Cowboy kein Schurke, sondern ein Held. Was wir schätzen am Cowboy des Alten Westens, ist seine Bereitschaft, gegen das Böse aufzustehen, und es alleine zu tun, wenn es notwendig ist. Der Cowboy ist das Symbol für die wichtigen Tugenden des Mutes und der Unabhängigkeit.")
Neuer Text von Manfred F. Schieder
Auf dem Blog Objektivismus.BlogSpot wurde soeben der Text "Wohin des Wegs, Unternehmer?" von Manfred F. Schieder veröffentlicht. Vielen Dank an den Autor für die Übersetzung seines ursprünglich auf Spanisch veröffentlichten Textes.

Gutes Denken
Wie der objektivistische Autor und Redner Craig Biddle auf seiner Website mitteilt, arbeitet er gegenwärtig an einem Buch über Kognition mit dem vorläufigen Titel "Good Thinking: The Science of Being Selfish". Während das Vorgängerwerk "Loving Life" (leider bei amazon.de nicht mehr erhältlich) demonstriert, dass Moral daraus besteht, eigeninteressiert zu sein, soll Biddles neues Buch zeigen, was es bedeutet, egoistisch im Bereich der Kognition zu sein.

Montag, November 01, 2004

Die Alternative, die keine ist
Rafael Seligmann fordert im neuen Cicero einen Wechsel in der Beitrittspolitik der Europäischen Union: Russland, nicht die Türkei. Statt eines Landes, das am Rande des Islamismus taumelt, ein Land, das am Rande des Faschismus taumelt. Welch' eine Alternative! Bei Rafael Seligmann scheint dieser originelle Vorschlag allerdings nicht gerade untypisch für ihn zu sein. So schreibt Henryk M. Broder gestern auf der Achse des Guten: "Es gibt nicht allzuviele Menschen, bei denen man sich darauf verlassen kann, daß sie garantiert Unsinn von sich geben, wenn sie nur den Mund auf- oder ihren Computer anmachen. Peter Zadeck ist so einer, Konstantin Wecker, Norbert Blüm und Rafael Seligmann." Da das neue Cicero neben Norbert Blüm und Rafael Seligmann auch noch Pat Buchanan zu Wort kommen läßt, habe ich mich entschieden, den Heftpreis anderweitig zu investieren.
Die September-Bilanz
Im Monat September erreichte dieser Blog ungefähr 1 400 Visits, was der drittgrößten je erreichten Zahl seit Beginn des Blogs entspricht. Das Kapitalismus-Magazin konnte 1 159 Visits erreichen. Der Blog Objektivismus.BlogSpot wurde mit drei neuen Einträgen soeben aktualisiert. Von der vorgestellten Produkten wurden die Bücher "Die Kraft der Vernunft", "Das neue Lexikon der populären Irrtümer" und "Die Soziallüge" am häufigsten angeklickt.

Sonntag, Oktober 31, 2004

Deutsches Wunschdenken
Statler and Waldorf berichten über Wolfgang Herles Buch Wir sind kein Volk , in dem dieser eine gesamtdeutsche Krankheit analysiert: "Die völlige Unfähigkeit, die Dinge zu sehen wie sie sind. Das immer größer werdende Defizit an nüchternem Rationalismus. Die Tendenz zum Wunschdenken, das zu absurden kollektiven Weltbildern führt und den Glauben stärkt, daß schon alles gut wird, wenn wir nur schön solidarisch sind. Die Deutschen als Volk von Pippi Langstrümpfen – wir denken uns die Welt, wie sie uns gefällt."
Ein kapitalistischer Falke für ... Kerry
Neben den mehr oder weniger bekannten Objektivisten, die sich für die Wahl von Präsident Bush ausgesprochen haben, gibt es allerdings auch die andere Fraktion, die, angeführt von Leonard Peikoff selbst, Kerry favorisiert. Der Buchautor Craig Biddle präsentiert als Begründung für Kerry eine Art Katastrophenstrategie: Kerry ist das größere Übel, aber gerade deshalb sollte er gewählt werden. Biddle schafft es, im gesamten Text nichts Positives über Kerry sagen zu können, ihn aber trotzdem zu empfehlen: "John Kerry ist abscheulich, aber ich werde für ihn stimmen. (...) Stimmt für Kerry und versucht, nicht zu kotzen." Ausgangspunkt für die Argumentation von Biddle ist ein Zitat von Ayn Rand, wo sie sagt, dass ein halber Kampf schlimmer ist als gar keiner. Bush treibe eine "aufopfernde Außenpolitik", die den Amerikanern aber als "hawkish" verkauft würde, und damit wäre die Möglichkeit einer wirklich selbstbewußten Außenpolitik aus der Debatte verbannt worden. Auch auf die Innenpolitik bezogen wiederholt Biddle dieses Argument. Bush habe den Begriff Kapitalismus aus der innenpolitischen Debatte entfernt, er habe etatistische Politik in eine kapitalistische Terminologie gepackt. Eine Amtsübernahme Kerrys würde sozusagen die Fronten klären. Die Taube machte eine taubenhafte Politik und deklariert sie auch als solche, was die Rechte animieren würde, Druck auf die Taube auszuüben, um diese in Richtung einer selbstbewußteren Politik zu drängen. Biddles Strategie ist nicht nur naiv und unrealistisch, so ist auch moralisch zweifelhaft, weil sie das Gute befördern will durch die Akzeptanz des Opfers. So hätte Biddle etwa den 11. September im Grunde genommen begrüßen müssen, da auch dieses Massaker klare Fronten schaffte, indem es den barbarischen Charakter des islamistischen Terrors so unmißverständlich deutlich machte. Biddle begeht darüber hinaus den Fehler, das Verhältnis von Politik und Kultur auf den Kopf zu stellen. John Hospers stellt in seiner Stellungnahme zu den Präsidentschaftswahlen klar, dass die Amerikaner "psychologisch" nicht auf eine "libertäre" Gesellschaft vorbereitet seien. Richtiger sollte man feststellen, dass sie philosophisch weder auf eine kapitalistische Gesellschaft noch auf eine robuste Außenpolitik vorbereitet sind. Bush machte nicht seine persönliche "christliche Ethik" zu schaffen, sondern es war die widersprüchliche Ethik seiner Landsleute selbst, die eine andere Strategie seiner Außenpolitik verhinderte. So waren etwa fast alle amerikanische Kirchen gegen den Irak-Krieg. Bush befand sich also schon in Opposition mit einem Teil seiner Anhänger -von der linken, pazifistischen Opposition einmal abgesehen-, ohne dass er versucht hätte, Biddles Strategie einer wirklich "hawkischen" Außenpolitik umzusetzen. Bush ist weit entfernt davon, ein idealer Kandidat zu sein. Dies ist zweiffelos richtig. Er dürfte sich aber schon am Rande dessen befinden, was die Amerikaner bereit sind, zu wählen. Wer einen idealeren Kandidaten im Amt sehen möchte, muss kulturelle Änderungen befördern, sodass Biddles Vorschlag, zur Verbreitung des Objektivismus beizutragen, tatsächlich ins Schwarze trifft, ganz im Gegensatz zu seinen übrigen Argumenten. Übrigens wird sein Argument, dass ein halber Kampf schlimmer sei als gar keiner, nicht einmal von Leonard Peikoff geteilt, der in einer Rede nach Beginn des Irak-Krieges feststellte, dass dieser Krieg immerhin besser sei als überhaupt nichts zu tun.