Samstag, Oktober 11, 2003

Der Spuk der "gesellschaftlichen Verantwortung"
Im Zusammenhang mit der Diskussion um fehlende Ausbildungsplätze wird von den Gewerkschaften häufig von einer "gesellschaftlichen Verantwortung" der Unternehmen gesprochen. Sollten diese ihrer Verantwortung nicht nachkommen, könnten sie mit einer Strafsteuer belegt werden, um ein entsprechendes Angebot von Ausbildungsplätzen zu erzwingen. In früheren Zeiten oder in anderen Zusammenhängen wurde oder wird von "vaterländischer Pflicht", von "Gehorsam gegenüber Gott" oder von der "Partei, die immer Recht hat" gesprochen. Die objektivistische Ethik und die Realität erkennen eine derartige Pflicht zum Handeln nicht an. "Pflicht" bedeutet, dass Entitäten handeln sollen aufgrund der Befehle einer höheren Autorität, ohne Rücksichtnahme auf eigene Wünsche, Motive oder Ziele.

Für Kant war Pflichterfüllung um der Pflicht willen der einzige Maßstab für Tugend. Für Ayn Rand war dies ein mystisches Konzept: "Es ist offensichtlich, dass dieses Anti-Konzept ein Produkt des Mystizismus ist, nicht eine Abstraktion, die aus der Realität abgeleitet wurde. In einer mystischen Theorie der Ethik steht 'Pflicht' für die Vorstellung, dass der Mensch den Diktaten einer übernatürlichen Autorität gehorchen muss." Für den Objektivismus hingegen gibt es nur die freie Willensentscheidung und das Gesetz der Kausalität, d. h. der Prozess, wo ein Ziel gewählt wird und die entsprechenden Aktionen unternommen werden, um das Ziel zu erreichen.

Wenn Unternehmen die Zahl der Ausbildungsplätze reduzieren, weil marktwidrige Ausbildungsvergütungen ihnen Kosten aufzwingen, die im keinem Verhältnis zu dem erzielten Nutzen stehen, handeln sie im Interesse des Überlebens ihrer Firma, und damit moralisch. Nichts und niemand hat das Recht, ihnen die Pflicht einer "gesellschaftlichen Verantwortung" zu oktroyieren, die sie zwingen würde, ihre höchsten Werte zu verraten oder zu opfern.










Freitag, Oktober 10, 2003

Objektivismus und Buddhismus
Keine Frage - Buddhismus boomt in den USA. Innerhalb der letzten 15 Jahre hat sich die Zahl der buddhistischen Zentren im Land der "angewandten Aufklärung" mehr als verdoppelt. Ungefähr vier Millionen Amerikaner praktizieren derzeit die fernöstliche Religion. Der Begriff "Religion" ist in Bezug auf den Buddhismus allerdings durchaus umstritten, da dem Buddhismus gewissen Attribute fehlen, die gemeinhin Religionen zugeschrieben werden. So meidet der Buddhismus das Wort "Gott" und kennt auch keine unsterbliche Seele. Das Konzept der Reinkarnation, dass der Buddhismus vertritt, setzt allerdings die Existenz irgendeiner göttlichen Instanz voraus, denn wer sollte sonst darüber entscheiden, ob jemand als Küchenschabe oder als heiliges Lama wiedergeboren wird. So lässt sich sicherlich behaupten, dass der Buddhismus auch bei Vermeidung des "G-Wortes""funktionell theistisch" ist, wie der Wissenschaftsjournalist John Horgan schreibt.

Joshua Zader vertritt auf seiner Website die Auffassung, dass Objektivismus und Buddhismus komplementär und nicht antithetisch seien. Zu dieser Einschätzung kann er allerdings nur kommen, wenn er den Buddhismus sämtlicher philosophischer Inhalte entledigt und auf bestimmte "Praktiken" reduziert, die das persönliche Wohlbefinden eines Menschen steigern sollen. Unter dieser Voraussetzung kann man sicherlich behaupten, Objektivismus und Buddhismus seien komplementär, wie Objektivismus und vegetarische Ernährung, Objektivismus und Bogenschiessen etc. komplementär sein können. Nur welchen Sinn macht es, über die Komlementarität von Objektivismus und Buddhismus zu sinnieren, wenn Zaber selbst, wie er schreibt, davon ausgeht, dass der Buddhismus "inhärent fehlerhaft" sei, und nicht mit dem Objektivismus vergleichbar wäre? Wenn es Zader wirklich nur um Meditiationspraktiken gehen würde, könnte er den Buddhismus verwerfen und ausschließlich über die Vereinbarkeit von Meditation und Objektivismus reflektieren. Dass er dies nicht tut, könnte zumindest den Verdacht aufkommen lassen, dass er mehr vom Buddhismus retten möchte als er explizit zugibt.

Einen sehr ernüchternde Blick auf den Buddhismus wirft hingegen John Horgan, der ihn nicht für rationaler hält als den Katholizismus seiner Jugend. Die moralische und methaphysische Weltsicht des Buddhismus, so Horgan weiter, könne "nicht leicht mit der Wissenschaft - oder, allgemeiner, mit modernen humanistischen Werten versöhnt werden."
Die von Buddhisten und alternativen Medizin-Gurus so sehr beschworenen Erfolge der Meditation stehen auf empirisch wackligen Beinen: "Ja, sie kann Stress reduzieren, aber, wie sich herausgestellt hat, nicht mehr als beim einfachen Sitzen auch. Meditation kann sogar Depression, Angst oder negative Emotionen bei bestimmten Menschen verstärken." Anders als der Objektivismus, der eine Philosophie für das Leben auf der Erde ist, impliziert der Buddhismus eine Entfernung vom normalen Leben als den Weg der Erlösung. So schreibt Helmuth von Glasenepp in seinem Buch Die fünf Weltreligionen über das Leben des Religionsgründers Buddha: "Um sein Herz von aller Leidenschaft zu lösen, hatte der an jede Art von Luxus gewöhnte Prinz dem Wohlleben entsagt und war während des größten Teiles seines Lebens als heimatloser Asket umhergezogen, nur von Almosen lebend. Daß es ihm gelungen ist, durch strenge Sinnenzügelung alle Begierden, alle Gefühle von Zorn und Haß und alle Verblendung in sich zu ertöten, wird von den Texten übereinstimmend behauptet."

Im Gegensatz zu anderen Religionsstiftern enthielt sich Buddha bei der Verbreitung seiner Lehre allerdings jeder fanantischen Unduldsamkeit. Die Toleranz und friedfertiger Gesinnung der Buddhisten ist Ausdruck eines Nihilismus, für den menschliches Leid und der Tod nur triviale Ereignisse sind. In der Worten des "Erhabenen" an seine Jünger: "Auch wenn Räuber und Mörder einem mit einer Säge Glied für Glied abschnitten, wer darüber zornig würde, der handelt nicht nach meiner Lehre. Denn auch in einem solchen Fall sollt ihr euch also üben: Nicht soll unser Denken sich verändern, nicht wollen wir ein böses Wort von uns geben, sondern gütig und mitleidig bleiben, voll freundlicher Gesinnung und ohne Haß." Der Buddhismus will den Menschen von den Leiden des Lebens erlösen, indem er ihn auffordert, sein Selbst zu negieren, es als Illusion zu betrachten, um jedes Leiden als belanglos zu akzeptieren. Dies macht den Buddhismus in der Tat völlig unvereinbar mit dem Objektivismus.





Donnerstag, Oktober 09, 2003

Gefährliche Demokratie am Werk
Der Historiker John Lewis hat in einem Beitrag für das capmag.com das Abwahlverfahren in Kalifornien als unvereinbar mit republikanischen Prinzipien abgelehnt:
"Das kalifornische Abwahlverfahren ist falsch, nicht weil es die Demokratie unterhöhlt, sondern weil es die Demokratie über republikanische Prinzipien stellt. Das richtige Verständnis für den Unterschied zwischen Republikanismus und Demokratie ist heute verlorengegangen. Es muss wiedergewonnen werden, wenn unsere Republik bewahrt werden soll." Für Lewis ist eine Abwahl der Regierung innerhalb der vorgesehenen Amstzeit nur zulässig, wenn ein offensichtlich kriminelles Verhalten vorliegt.
DENKEN
"Alles beginnt im Denken", zitierte MdL Professor Dr. Wolfgang Reinhart bei der Einweihung des Dienstleistungszentrums Aristoteles.

Quelle: Fränkische Nachrichten

Bezogen auf die Bedingungen, die Bund und Land der Kommune aufdrücken, hält es Klimpel mit Aristoteles: "Wir können den Wind nicht ändern, aber wir können die Segel richtig setzen." Nachsatz des BM-Kandidaten: "Ich hätte gern den Auftrag dazu."

Quelle: WAZ
Kapitalismus oder Barbarei: Das Presseecho
Das Doppelheft der Zeitschrift Merkur mit dem Titel "Kapitalismus oder Barbarei" hat auch in der Presse reichlich Beachtung gefunden. Im folgenden zwei Stellungnahmen, die auf den im Merkur veröffentlichten Aufsatz über Ayn Rand eingehen.
Barbara von Rednitz schreibt für die Neue Zürcher Zeitung:
"Zwei interessante biografische Porträts widmen sich Karl Polanyi und Ayn Rand, der in den USA seit den sechziger Jahren anhaltend prominenten russisch-jüdischen Schriftstellerin, deren leidenschaftlich 'prokapitalistische' Zukunftsromane derzeit auch hierzulande auf Interesse stossen."

Gar nicht amüsiert von der geballten prokapitalistischen Rhetorik im Merkur zeigt sich Mathias Greffrath in der taz:
"Von den Ökonomen in Schwung gebracht, schaffen die Geisteswissenschaftler die 'romantische' Trennung von Bourgeois und Citoyen ab, werfen die demokratischen Wirtschaftstheorien von Mill bis Keynes auf den Müll der Geschichte, halbieren Adam Smith, bringen uns, auf der Suche nach einem Leitbild für die dynamischeren unter den Merkur-Lesern, aufs einfühlsamste das amerikanische Kapitalismusmärchen 'Atlas Shrugged' von Ayn Rand nahe, fordern die volle Marktfreiheit für Biotechnik, Theater, Oper, wo 'verwahrloste', ungewaschene, radikale, selbstquälerische 68er-Typen wie Beethoven, denen es nicht reicht, 'schöne Musik zu schreiben und bezahlt zu werden', für Mariam Lau ohnehin irgendwie fehl am Platz."
Aristoteles und die goldene Mitte
oder das Wort, das er nicht fand.

"Bei jedem ausgedehnten und teilbaren Dinge kann man ein Zuviel oder Zuwenig und ein rechtes Maß unterscheiden, und dies entweder in Hinsicht der Sache selbst oder in der Beziehung auf uns. Das rechte Maß liegt in der Mitte zwischen dem Zuviel und Zuwenig." (aus "Die Nikomachische Ethik" von Aristoteles)

Und was ist der Maßstab für das, was Zuviel und Zuwenig ist ? Er sagt zwar weiter unten: "Die Mitte aber, das heißt hier nicht die der Sache, sondern das Mittlere in bezug auf uns." und daß der absolute Maßstab bei jeder Person verschieden sein kann, doch ein expliziter Begriff für den Maßstab fehlt ! Auch wird an anderer Stelle gesagt, daß Glückseligkeit das höchste Gut ist, gerade an dieser Textstelle taucht der Begriff aber nicht auf.

Wenn der Erhalt und die Förderung des eigenen Lebens der höchste Wert des Menschen ist und sich alle anderen Werte danach ausrichten sollen, dann ist die maximale Förderung dieser Werte, also eine Nutzenmaximierung für das eigene Leben, das, worauf die Mittel abzustimmen sind.

Mittwoch, Oktober 08, 2003

Das S in der CSU
Steht das fette S in der Mitte von CSU für sozialistisch ? Herr Stoiber ist gegen Kopfprämien bei der Krankenversicherung, die von der Herzog-Kommission vorgeschlagen wurden. Im Fernsehen nannte er das Prinzip: "Wir haben ein bewährtes System, in dem jeder eine vergleichbare Leistung erhält, aber Beiträge ... nach seiner Leistungsfähigkeit zahlt. Und bei diesem Grundsatz sollte es bleiben." Und hier zum Vergleich ein Motto von Karl Marx: "Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!"
Governor Schwarzenegger
Arnold Schwarzenegger hat die kalifornische Governor-Wahl gewonnen. Doch wofür steht Arnold Schwarzenegger ? Er hat mich bei seiner Dankesrede mit einem Motto positiv überrascht: "For the people to win, politics ... must lose ." Damit die Bevölkerung gewinnt, muß ... Politik verlieren. Wenn Schwarzenegger damit meint, daß er für einen möglichst kleinen Regierungsapparat und einen möglichst freien Markt ist, dann kann dieses Motto nur unterstützt werden. Sein Wahlprogramm läßt aber daran zweifeln, ob er wirklich für dieses Motto steht. Wenn man sich sein Wahlprogramm auf seiner Homepage ansieht, dann sieht man, daß Schwarzenegger seine Standpunkte nicht nach Prinzipien aufbaut. Er hat zwar gesagt, daß er Bürokratie beseitigen will, den Haushalt ausgleichen und ein business-freundliches Umfeld schaffen will. Doch in seinem Wahlprogramm geht er ständig Kompromisse ein: es fehlen Ansätze zur Privatisierung von Schulen; die Absicht, den Energiesektor vollständig zu deregulieren, ist nicht erklärt. Und das Schlimmste: eine ganze Reihe von Umweltschutzmaßnahmen. Er hat aber auch wriklich positive Seiten: er ist z.B. für die Legalität von Abtreibungen.

Die Kritik seiner herkömmlichen Kritiker ist aber unangebracht: sie behaupten von Schwarzenegger, er sei ein hirnloser Muskelmann, den man nicht einmal als Schauspieler akzeptieren kann. Jay Leno hat sich bei den Eröffnungsworten nach dem Wahlsieg über die Kritiker lustig gemacht: "...als Arnold sich aufstellen ließ, sagte man: 'Arnold ist ein Schauspieler, er kann kein Governor werden'. ... Zum ersten Mal haben seine Kritiker anerkannt, daß Arnold ein Schauspieler ist." Schwarzenegger hat sich aber nicht nur in harter Arbeit eine Karriere als Bodybuilder und Schauspieler aufgbaut, mit der er Millionen verdient hat. Schwarzenegger hat sich auch mit ökonomischen Fragen befaßt: er hat einen Bachelor-Abschluß in einem wirtschaftswissenschaftlichen Fach. Er ist angeblich Bewunderer von Adam Smith, Milton Friedman und F.A. Hayek. Wünschenswert wäre, wenn davon auch etwas in Politik umgesetzt werden würde.

Dienstag, Oktober 07, 2003

Das Vorsorgeprinzip
Das Vorsorgeprinzip ist ein ideologisches Mittel, um menschliche Unternehmungen zu unterbinden und gegen sie bestimmte Gesetze durchzudrücken. Das Prinzip selbst in seiner reinen Form ist bisher nicht zum Gesetz erklärt worden, wohl aber abgeschwächte Formen davon. Als Leitlinie ist es inzwischen fest etabliert und wird kaum noch hinterfragt. Hier erst einmal das abstrakte Prinzip, ohne alle schönfärberischen Umschreibungen:

Das Vorsorgeprinzip besagt, daß eine Handlung unterlassen werden muß, wenn nicht bewiesen werden kann, daß mit ihr keine Gefahren verbunden sind. Und weil das nicht bewiesen werden kann, muß jede Handlung unterlassen werden, wenn mit ihr unbekannte Gefahren verbunden sein könnten. Man beachte: man soll unbekannte Gefahren berücksichtigen; man soll etwas berücksichtigen, was man noch überhaupt nicht kennt. Finden kann man aber nur etwas, was existiert; Nicht-Existenz kann nicht gefunden werden. Ein Negativum kann nicht bewiesen werden, so wie Nicht-Existenz nicht bewiesen werden kann. Nicht-Existenz muß aber auch gar nicht bewiesen werden.

Die richtige Vorgehensweise wäre: Aus der Unauffindbarkeit einer Tatsache schließt man auf deren Abwesenheit. Aus dem Nichtauffinden von Risiken schließt man auf die Abwesenheit eines Risikos. Solange keine Indizien für Schadensmöglichkeiten gefunden wurden, ist eine logische Schlußfolgerung auf einen möglichen Schaden nicht zulässig.

Nehmen wir ein Beispiel: Sie haben ein neues Produkt entwickelt. Beim Entwickeln hatten Sie jahrelang Umgang damit. Ihnen ist beim Umgang nichts Außergewöhnliches aufgefallen. Es sind keinerlei Schäden an Ihrer eigenen Gesundheit oder der Gesundheit fremder Personen aufgetreten. Das Vorsorgeprinzip sagt Ihnen nun: nein, das Produkt darf nicht auf den Markt gebracht werden, weil nicht bewiesen worden ist, daß keine Schäden entstehen könnten. Dann sagen sie: aber es sind doch bisher keine Schäden bekannt. Und wie soll ich denn beweisen, daß keine Schäden auftreten können ? Die Gegenseite sagt Ihnen nicht, wie Sie das beweisen sollen. Sie sagt Ihnen nur: wenn Sie das nicht beweisen können, dann darf das Produkt auch nicht auf den Markt. Wenn die Bevölkerung vor hundert Jahren das Vorsorgeprinzip akzeptiert hätte, dann würde es keine Elektrizität, keine Autos und keine Industrieanlagen geben.

Führen wir das ganze nun ad absurdum: Wenn ich auf die Straße gehe, dann könnte es sein, daß ich vom Auto überfahren werde. Also düfte ich nach dem Vorsorgeprinzip nicht auf die Straße gehen, denn das wäre viel zu gefährlich: es könnte etwas passieren, also muß ich es lassen. Selbst wenn ich bereits 50 Jahre lang jeden Tag auf die Straße gegangen bin und mir ist nie etwas passiert, dann wäre das nach dem Vorsorgeprinzip keine ausreichende Erfahrung, um auf die Straße zu gehen. Erst wenn ich einen Beweis geführt hätte, daß nichts passieren kann, dürfte ich mich auf die Straße wagen. Und da dieser Beweis nicht möglich ist, würde mich das Vorsorgeprinzip niemals auf die Straße lassen.

Das Vorsorgeprinzip fordert ein Leben ohne Gefahren und sieht selbst dort Gefahren, wo es keine gibt. Der Sinn des Vorsorgeprinzips: es dient der Verhinderung jeglichen Handelns. Mit dem Vorsorgeprinzip kann man gegen alles argumentieren und alles verbieten, wenn man es zum Gesetz gemacht hat. Es richtet sich nicht nur gegen jede Innovation, sondern auch gegen Altbewährtes. Der Versuch der konsequenten Anwendung dieses Prinzips würde jede Handlung unmöglich machen und damit menschliches Leben unmöglich machen. Es ist die Vorstellung eines boshaften Universums, in dem es nur Gefahren gibt, keine Möglichkeiten und Chancen. Es ist eine Weltanschauung, bei der man die "Dinge an sich" nicht kennen kann. Dahinter verbirgt sich die Wahrnehmungslehre von Kant: laut Kant kann der Mensch nicht verzerrungsfrei wahrnehmen. Kant behauptet, der Mensch könne nur das Oberflächliche der Dinge wahrnehmen, nie die "Dinge an sich", das heißt bildlich gesprochen, er könne nicht wahrnehmen, wie sie unter der Oberfläche sind, d.h. er könne nicht erkennen, wie die Dinge außerhalb der Realität sind. Bei dieser Wahrnehmung kann man aus dem Nichtauffinden von Indizien nicht auf deren Abwesenheit schließen.

Doch die boshafte Weltanschauung ist unnötig. Wenn man die Existenz einer objektiven Realität akzeptiert und für den Menschen die Möglichkeit einer verzerrungsfreien Wahrnehmung akzeptiert, dann kann man das Vorsorgeprinzip getrost über Bord werfen. Im Universum gelten unveränderliche Naturgesetze und diese Unveränderlichkeit ist eine Sicherheit gegen Risiken. Risiken sind abschätzbar. Und die Abschätzung und Beurteilung solcher Risiken sind ein wesentlicher Bestandteil des menschlichen Lebens. Es lebe der Mensch !