Samstag, Juli 03, 2004

Was Gurus bedauern
Auf der Internetsuche nach "Erleuchtung" stieß ich auf einen Artikel des What Is Enlightenment - Magazine (Deutsche Ausgabe hier) mit einem "bahnbrechenden" Interview des Herausgebers, Andrew Cohen, mit dem bekannten amerikanischen "Philosophen" Ken Wilber, der dafür bekannt ist, esoterisch-religiösen Quatsch in Tabellenform zu bringen. Bemerkenswert ist, dass darin beide den postmodernen Relativismus/Skeptizismus als Ausdruck eines nicht hinreichend überwundenen Egos spirituell Suchender bedauern, deren wohl anmassende Egozentrik ("Boomeritis" in Wilbers Worten) so weit geht, dass sie nicht einmal die Autorität Erleuchteter über sie anerkennen. Das geht wohl zu weit für all jene, die neue, diesmal ökologistisch-altruistische Verhaltensnormen aufstellen wollen.

Quelle: wie.org

Diskussion: Die religiöse Rechte in Amerika
Zur DIM-Hypothese von Leonard Peikoff über die Gefahr der Religion in Amerika findet sich auf noumenalself.com eine umfangreiche Diskussion:
Hier eine Stimme, die in der Religion nicht die Hauptgefahr sieht:

"Ich sehe den religiösen Fundamentalismus nicht als kraftvolle kulturelle Kraft in diesem Land an oder dabei eine solche werden. In dem Ausmaß, in dem das Problem existiert, ist es sicherlich nicht beschränkt auf die Bush-Anhänger. Viele auf der Linken sind gleichermaßen religiös und vielen von den sog. 'säkularen' Dogmen der Linken sind religiös der Methode, wenn nicht dem Inhalt nach, so z. B. Ökologismus und politische Korrektheit. Auch sollte man nicht annehmen, dass die größte Unterstützung für Bush von der religiösen Rechten kommt. Man muss kein christlicher Fundamentalist sein, um Bush bei Themen wie Steuern, Regulierung, Staatsausgaben und nationaler Sicherheit Kerry vorzuziehen."

Noumenalself selbst schreibt, dass er skeptisch hinsichtlich Dr. Peikoffs These war, dass eine religiöse Theokratie droht. Bis zur letzten Lektion von Peikoffs Kursus hielt er D (Disintegration) und nicht M (Misintegration) für die Zukunft Amerikas. Dr. Peikoff zitiert in dem Kurs eine Studie, die sagt, dass 70 % der Studenten betet, Religion mit Freunden diskutiert oder spirituelle Stärke aus dem Glauben an Gott zieht. Noumenalself hat dann ein wenig recherchiert, um die Entwicklung des religiösen Glaubens in den letzten dreißig bis vierzig Jahren zu untersuchen. Umfragen von Gallup, die nach der Bedeutung der Religion für das eigene Leben fragen, lassen allerdings keinen klaren Trend zu mehr Religiösität erkennen, eher das Gegenteil. 2004 hielten 84 % der Befragten Religion für sehr oder ziemlich wichtig für ihr eigenes Leben. 1999 waren es 88 % gewesen, 1993 91 %, 1965 92 %. Es gibt allerdings auch andere Statistiken, die eine Art von expliziter religiöser Philosophie belegen könnten. So ist die Zahl der evangelikalen Christen weltweit seit 1970 um 126 % gestiegen. Nach einer Umfrage des Pew Research Center vom Dezember 1997, zweifelten 71 % der Amerikaner "nie" an der Existenz Gottes, 11 % mehr als vor 10 Jahren.
Noumenalself sieht zwar einen allgemeinen Rückgang von Gläubigen, gleichzeitig auch einen Trend innerhalb der Religiösen hin zu den Fundamentalisten und Evangelikalen. Dies würde bedeuten, schreibt er, dass die Mitte sich auflöst, aber gleichzeitig die Ränder stärker werden. Dies läßt ihn sich fragen, ob nicht die Gefahr eines Bürgerkriegs größer ist als die Gefahr einer theokratischen Diktatur. Dass Linke auch religiös seien, hält er für richtig. Aber dies sei gerade ein Beweis für den Einfluss der Religion, wenn der religiöse Glauben tatsächlich ihre Politik beeinflussen würde: "Und wenn die Linken plötzlich an die Religion appellieren, wo sie es vorher nicht taten, dann nur, weil die Rechten es ihnen vormachten."

Freitag, Juli 02, 2004

Hillary Clinton unmaskiert
Bei einer Veranstaltung der Demokratischen Partei in San Francisco hat die Senatorin Hillary Clinton den anwesenden Spendern und Unterstützern der Partei auf sehr direkte und offene Weise mitgeteilt, dass sie gedenkt, ihnen kräftig in die Tasche zu greifen: "Wir werden Ihnen Dinge wegnehmen zugunsten des Allgemeinwohls." Der Bericht geht nicht darauf ein, ob die Anwesenden diese Äußerung von Frau Clinton mit Beifall bedachten, aber man kann sich vorstellen, dass viele von ihnen -einige hatten bis zu 10 000 $ für die Teilnahme bezahlt!- ihren Reichtum mit einem schlechten Gewissen betrachten und somit einen derartigen Angriff auf ihre Rechte klaglos akzeptieren, alles natürlich in Namen des "Allgemeinwohls", jener Zauberformel, die jeder Tyrann ausgiebig verwendet, um seinen Übergriffen das Mäntelchen der Legitimität umzuhängen, wie es Ayn Rand in The Fountainhead den Protagonisten Howard Roark sagen läßt: "Das so genannte Gemeinwohl eines Kollektivs - einer Rasse, einer Klasse, eines Staates - war immer der Anspruch und die Rechtfertigung jeder Tyrannei, die über Menschen errichtet wurde." Hillary Clinton stellt sich mit ihrem Bekenntnis zum kollektivistischen "Allgemeinwohl" grundsätzlich gegen das Fundament, auf dem Amerika errichtet wurde, das dem Individuuum das Recht auf Leben, Freiheit und Eigentum, sowie das Recht zugesteht, sein eigenes Glück zu suchen. Sie ersetzt den amerikanischen Individualismus durch die Moralphilosophie des Altruismus, der davon ausgeht, das unser höchstes moralisches Ziel ist, anderen zu dienen. Schlimm nur, dass ihre Opfer ihren Glauben an den Altruismus teilen und ihrer Ausplünderung auch noch zustimmen. Die Ethik des Altruismus ist ein unverzichtbares Instrument, um die guten Menschen der Sklaverei auszuliefern. Ihr Zweck ist es, die produktiven Menschen zu moralisch zu entwaffnen. Würden die produktiven Menschen dieser Ethik der Aufopferung nicht folgen, würden sie den Übergriffen den Plünderer Widerstand leisten. Und das Ergebnis wäre klar, wie Ragnar Danneskjold in Ayn Rands Roman Atlas Shrugged richtig beobachtet: Verstand plus Gewalt besiegt immer die geistlose Gewalt.

Donnerstag, Juli 01, 2004

Die Juni-Bilanz
Der Monat Juni bracht wieder eine neue Höchstzahl von Besuchen, insgesamt fast 1 500. Bei den Büchern wurde 99 moralische Zwickmühlen am häufigsten angeklickt, gefolgt von Anti-Americanism und Thatchers konservative Revolution. Der Blog Objektivismus wurde erweitert mit einer Bibliographie zu Ayn Rand, verfaßt von Andreas W. Tauber (Atlas Institute Europe) und einer deutschen Version von G. Stolyarovs An Objectivist Statemant of Resolves. Herr Stolyarov ist Verfasser des Buches Struggle for the Future (siehe Bücherliste).

Mittwoch, Juni 30, 2004

Religion und Kapitalismus
Da ich Leonard Peikoffs Kurs zur DIM-Hypothese nicht gehört gehabe und auf sein entsprechendes Buch auch noch warte, ist es natürlich schwierig, seine Thesen richtig einschätzen zu können. Dr. Peikoff scheint jedenfalls davon auszugehen, dass, zumindest in Amerika, die Religion der Hauptfeind des Objektivismus ist. Es gibt einen sehr schönen Aufsatz von Andrew Bernstein, ebenfalls vom Ayn Rand Institute, der die Religion, genauer die im Westen vorherrschende Religion, etwas anders beurteilt. Er sieht die westlichen Religionen von der Vernunft durchdrungen und auch nicht als das Hauptübel unserer Kultur, wenn er sie auch als böse bezeichnet. Bernstein sieht Elemente des Indvidualismus und des Egoismus in den westlichen Religionen. Ich hatte auch Robert Bidinotto auf seinem Blog nach den Unterschieden zwischen Amerika und Europa befragt und behauptet, dass ich in Amerika mehr Freiheit und mehr Kapitalismus sehe als in Europa, trotz ausgeprägterer Religion. Robert Bidinotto stimmt dieser Aussage zu und weist darauf hin, dass Säkularismus noch keine Garantie für eine Kompabilität mit Kapitalismus sei. Seine Sicht der Religionen ist differenziert. Er sieht Religionen wie den fundamentalistischen Islam, die anti-freiheitlich und anti-kapitalistisch seien. Andere Religionen priesen aber Tugenden wie freie Märkte und Produktivität, wie z. b. ein bestimmter Zweig des amerikanischen Calvinismus. Trotz seiner "gemischten" Prämissen enthielten die pro-freiheitlichen gesinnten Religionen in Amerika genug, das kompatibel mit dem Kapitalismus sei, jedenfalls für eine Weile, bis die anderen Prämissen begannen, die pro-kapitalistische Schubkraft zu unterhöhlen.

Siehe zu dem Thema auch das Diskussionsforum der Zeitschrift Campo de Criptana, wo ein Diskussionsteilnehmer behauptet, dass "die Bible-Beltler in den USA wirklich eine ernst zu nehmende Gefahr ersten Ranges (sind) und in ihrem fundamentalistisch mittelalterlichen Denken unterscheiden sie sich absolut nicht zu den islamischen Fundamentalisten, ausgenommen, daß sie keine Sprengstoff-Attentate zu verantworten haben."

Dienstag, Juni 29, 2004

Post-DIM-Aktivimus
Noumenalself gehört offenbar zu den Teilnehmern des DIM-Kursus von Leonard Peikoff: "In diesem Kursus argumentiert Dr. Peikoff, dass die primäre Gefahr, die unserer Kultur heute droht, nicht von der Linken oder den islamistischen Terroristen ausgeht, sondern von der altmodischen Religion. Diese Schlussfolgerung basiert auf seiner DIM-Hypothese (Disintegration-Integration-Misintegration) und ihrer Anwendung auf die Geschichte. Heute, da die Linke den Marxismus im speziellen und 'Ideologie' im allgemeinen aufgegeben hat, treibt sie im 'D'". Das bedeutet Anti-Prinzipien, Anti-Absoluta, Anti-Integration. Dr. Peikoff's Argument ist, dass die Anti-Integrations-Sichtweise grundsätzlich kulturell machtlos ist, weil sie den Menschen keine wirkliche Anleitung für ihr Leben liefern kann. Die Linke ist nur fähig, die Menschen dadurch zu motivieren, dass sie auf Prinzipien wie den Altruismus zurückgreift, die sie gewöhnlich von der Religion entnommen hat. Die Religon bietet Anleitung, weil sie an die Integration glaubt, wenn auch Misintegration ist, Integration abgeschnitten von der Realität. Und tatsächlich befindet sich die Religion im Aufschwung in Amerika, besonders die fundamentalistische, evangelikale Richtung." Noumalself hält Peikoffs These grundsätzlich für richtig, wenn man auch, wie er schreibt, bestimmte Aspekte und Applikationen dieser Sichtweise diskutieren könnte.
Galt Institut gegründet
Wie mir Jiri Kinkor, Übesetzer von Peikoff's Objectivism - The Philosophy of Ayn Rand, mitteilt, wurde kürzlich in der Tschechischen Republik das Galt Institut gegründet, um die Anstrengungen zur Verbreitung des Objektivismus in Tschechien zu institutionalisieren. Die Idee, auf europäischer Ebene Objektivisten zu vernetzen, hält Kinkor zwar für gut, sieht sich aber aus zeitlichen Gründen nicht in der Lage, persönlich einen Beitrag dazu zu leisten.

Montag, Juni 28, 2004

Noch ein Blog!
Nach langer Zeit hatte ich wieder kapitalismus.de angesteuert, und siehe da: Alexander Schmidt und Karl Friedrich Weiland sind jetzt auch unter die Blogger gegangen. Da wir von den Freiheits-Bloggern gar nicht genug haben können, wünsche ich den beiden Autoren natürlich viel Ausdauer und Inspiration beim zukünftigen Verfassen von Texten.
Eine Geschichte über Altruismus
Don Watkins berichtet auf seinem Blog über die "altruistischste Tat seines Lebens". Was war geschehen? Der junge Don war ein begeisterter Fahrradfahrer (ein Amerikaner der Fahrrad fährt!). Aber als er eines morgens zu seinem Rad kam, war es nicht mehr da. Nach einigen Suchen fand er es schließlich, allerdings reichlich ramponiert. Er konnte dann ermitteln, dass ein angeblicher Freund vom ihm dies zu verantworten hatte. Er stellte ihn zur Rede, worauf dieser in Tränen ausbrach. Er bat Don, seinem Vater nichts von dem Vorfall zu erzählen und bot ihm an, den Schaden zu ersetzen. Don verzieh ihm und sagte, dass er seinem Vater nichts erzählen werde und und schlug auch die Entschädigung aus: "Junge, wie gut ich mich doch fühlte." Don Watkins sieht hier einen altruistischen Akt, weil er einen bösartigen Angriff auf sein Eigentum ungestraft durchgehen läßt und ihn auch noch verzeiht: "Was ist demnach Altruismus? Es bedeutet einfach: sich selbst opfern, seine Werte, seine langfristigen Interessen zu opfern für andere." Auf der anderen Seite hat Egoismus nichts damit zu tun, dass ich andere für mich opfere: "Es geht um Prinzipien, Ziele, Überzeugungen." Watkins weist dann noch darauf hin, dass Altruismus leicht sei. Egoismus hingegen besteht daraus, seinen Verstand einzusetzen, um sein langfristigen Interessen zu bestimmen.

Sonntag, Juni 27, 2004

Keine Gebote!
Tatsächlich kennt der Objektivismus keine Gebote, besonders wenn es um die Ethik geht. Ayn Rand präsentiert Fakten, logisches Denken, Schlussfolgerungen, Beobachtungen, Empfehlungen, Identifikation usw., aber keine Gebote. Statt "Du sollst ..." oder "Du sollst nicht ..." liefert der Objektivismus Stellungnahmen wie "Wenn du möchtest ..., dann mußt du ...", zusammen mit den logischen Überlegungen und Fakten, die sie stützen.

Betsy Speicher