Samstag, Mai 24, 2003

80 Jahre und kein bißchen weise
Die Stuttgarter Zeitung berichtet über den 80. Geburtstag des Psychoanlytikers Arno Gruen: "Nach Gruens Ansicht wird Hass erzeugt durch eine lieblose Erziehung, die auf Unterdrückung basiert. Sie macht Menschen anfällig für die Parolen von Abgöttern. Gruen nennt dabei in einem Atemzug Bin Laden, Bush und Thatcher. Sie seien alle leere Hüllen, bar jeder Gefühle und süchtig nach Macht." Wenn diese Äußerungen nicht so typisch für westliche Intellektuelle wären, könnte man man sie mit der moralischen und philosophischen Verwirrung eines Einzelnen abtun. Bin Laden, Bush und Thatcher als "Opfer" einer lieblosen frühkindlichen Erziehung? Noch absurder geht es wohl kaum noch. Dieser "Wissenschaftler" ist nicht in der Lage, Monster von normalen Menschen oder gar Helden zu unterscheiden. Dieser "Wissenschaftler" ist fernerhin nicht in der Lage, eine vernünftige Erklärung für das Handeln von Menschen anzubieten. Welche Grund sollte die breite Öffentlichkeit haben, den 80. Geburtstag dieses "Helden der Wissenschaft" zu feiern?
Objektivistische Cartoons
Nicht entgehen lassen sollte man sich einen regelmäßigen Blick auf die Website von John Cox und Allen Forkum. Dort veröffentlichen die beiden ihre inspirierenden Karrikaturen aus einer objektivistischen Weltsicht. Ganz neu zum Beispiel "Axis of Veggies". Dort verweigert ein kleiner Junge gegenüber seiner Mutter die Anerkennung von Brokkoli bis sich die Vereinten Nationen in einer Resolution des Problems der internationalen Bedrohung durch Gemüse angenommen haben. Seine empörte Mutter: "Keine 'New York Times" mehr für dich, junger Mann!" Einige ihrer Karikaturen sind aus europäischer Sicht etwas weniger interessant, weil sie auf in Europa wenig bekannte Ereignisse oder weniger bekannte amerikanische Politiker verweisen, aber in den meisten Fällen geben sie doch einen plakativen Eindruck vom amerikanischen -und objektivistischem-Denken, der mehr aussagt als viele Worte. Und mehr kann man von guten Karikaturen nicht erwarten. Die Website dient natürlich auf dem Verkauf des Buches "Black & White World" von Cox & Forkum, wo insgesamt über hundert ihrer Karikaturen bewundert werden können. Außerdem enthält das Buch eine Einführung von Robert Tracinski und das Interview "The Art of Politics" aus der Zeitschrift The Intellectual Activist.
Tracinski fordert eine Serie von Kriegen
Robert Tracinski, einer der führenden Redner und Autoren des Ayn Rand Institute (ARI), fordert in einem längeren Beitrag in der von ihm herausgegebenen objektivistischen Zeitschrift The Intellectual Activist weitere militärische Kampagnen gegen Staaten, die Terroristen unterstützen oder nach Massenvernichtungswaffen streben: "Nord-Korea -und der Rest der Welt- wird nur glauben, dass die Vereinigten Staaten es ernst meinen, wenn wir bereit sind, eine Serie von Kriegen zu führen, die systematisch gegen jede Terror unterstützende und Nuklearwaffen produzierende Diktatur auf der Erde gerichtet sind. Nach diesem Kriterium ist heute wahrscheinlich Nord-Korea das vordringlichste Ziel."

Tracinski weist in seinem Aufsatz ferner auf die Unterstützung des Irak durch die angeblichen Friedensmächte Frankreich und Russland hin. Beide Länder gehörten zu den Hauptwaffenlieferanten des Irak während der letzten 30 Jahre. Amerikanische Truppen fanden gar aus Frankreich stammende Waffen, die erst im Jahr 2002 geliefert worden waren. Die französische Regierung bestreitet, Kenntnisse von diesen Geschäften gehabt zu haben. Die russische Regierung hat weiterhin, wie beschlagnahmte Dokumente des irakischen Geheimdienst zeigen, ein Abkommen mit dem Irak über den Austausch von Geheimdienstinformationen geschlossen. Trancinski sieht allerdings nicht nur wirtschaftliche Gründe für die gefährliche außenpolitische Richtung dieser Länder, sondern schreibt diese auch ideologischen Gründen zu. Die Ideologie der irakischen Staatspartei, der Baath, geht zurück auf einen französischen Intellektuellen, der von der deutschen faschistischen Philosophie und der marxistischen Rhetorik aus Russland beeinflusst war. "Europa hat seitdem gewisse oberflächliche Aspekte dieser Philosphien zurückgewiesen", schreibt Trancinski. Aber die Europäer, so Tracinski weiter, stimmen mit vielen der wesentlichen Inhalte des Baathismus überein. Insbesondere hätten die Europäer sich die marxistische Mythologie einer globalen "imperialistischen" Verschwörung von kapitalistischen Nationen zur Ausbeutung der Dritten Welt im vollen Umfang bewahrt.

Donnerstag, Mai 22, 2003

Das Leben voll auskosten
"Ein Wert ist das, was man erwerben und behalten will; Tugend ist die Handlung, durch die man [den Wert] erwirbt oder behält." Wenn sich ein Mensch entschlossen hat, den Erhalt und die höchstmögliche Förderung des eigenen Lebens als obersten Wert zu haben, dann sind "Vernunft, Zielgerichtetheit und Selbstachtung" die Werte, die unmittelbar folgen: Vernunft ist sein einziges Mittel, um Wissen zu erwerben und zu verarbeiten. Zielgerichtetheit ist die Entscheidung, durch welche Ziele sein Glück verwirklicht werden soll und die Ausrichtung aller Handlungen auf die Erreichung dieser Ziele. "Selbstachtung ist seine ungebrochene Sicherheit, daß sein Verstand zum Denken fähig ist und daß seine Person wert ist, glücklich zu sein."

Die grundlegenden Tugenden, durch die man die Grundwerte erwirbt und behält, werden in Atlas Shrugged von Ayn Rand aufgezählt: Rationalität, Unabhängigkeit, Integrität, Ehrlichkeit, Gerechtigkeit, Produktivität und Stolz.

Werte dienen nicht nur dazu, das menschliche Leben zu erhalten: sie dienen dazu, das Leben zur höchsten Blüte zu bringen. Der Weg dorthin ist, Tugenden zu leben. Das voll ausgekostete Leben in höchster Blüte mit allen erdenklichen positiven Effekten: das ist die Belohnung für gelebte Tugenden.

(Die Zitate und Ideen sind von Ayn Rand.)
Das neue Gesicht des Rechtsstaats
Hamburgs Innensenator Ronald B. Schill hat zwei blitzsaubere Ideen gehabt: 1. Weg mit den abgrundtief hässlichen Dienstuniformen ("Kartoffelsäcke") für Hamburgs Polizisten 2. Die Aktion soll den Steuerzahler nicht zusätzlich belasten. Eigentlich kein Grund den Senator in irgendeiner Weise zu schelten. Natürlich gilt dies nicht für einen linken Gesinnungsjournalisten, für den auch die wohlschmeckendste bürgerliche Suppe nichts anderes als Jauche ist.
Für Volker Stahl vom Weser Kurier sind die neuen Uniformen nämlich nur das sichtbarste Zeichen einer zunehmenden Amerikanisierung Hamburgs: "Die Millionenstadt an der Elbe ist auf dem besten Weg, 51. Bundesstaat der USA zu werden. Eigentlich ist Hamburg eine eher betuchliche Dienstleistungs-, Medien- und Kaufmannsmetropole. Nach der Abwahl der Sozialdemokraten im Herbst 2001 aber hat sich das politische Klima spürbar verändert. Innensenator Ronald Schill geht gern auf Partys, trägt zum Selbstschutz angeblich eine Walther PPK und plädiert dafür, das bei der Moskauer Geiselnahme versprühte hochgiftige Gas der deutschen Polizei zur Verfügung zu stellen. Und der CDU-Justizsenator begutachtet auf ausgedehnten Studienreisen Knäste im demokratischen Schwellenland Russland und besucht im US-Bundesstaat Arizona einen Sheriff, der sein Wüstenzelt-Gefängnis mit menschenverachtenden Methoden leitet." Zwischen einer "betuchlichen" Dienstleistungs-, Medien- und Kaufmannsmetropole und einer Stadt, die energisch den Rechsstaat verteidigt und durchsetzt, besteht kein prinzipieller Widerspruch, wie es Autor des Weser Kuriers suggeriert. Dass Menschen "betuchlich" ihrem Leben nachgehen können, dass sie ruhig schlafen können, hängt gerade davon ab, dass ihre Rechte von einer Instanz, dem Rechtsstaat, verteidigt wird.

Mittwoch, Mai 21, 2003

Es war so offensichtlich
Das Handelsblatt interviewte den Zukunftsforscher Peter Schwarz:
In den 40er-Jahren hat Herman Kahn das Planen von Szenarien eingesetzt, um die Möglichkeiten für einen Atomkrieg auszuloten. Aber hätte irgendjemand den Angriff vom 11. September vorhersagen können?
"Es war das am besten prognostizierte Ereignis in der Geschichte. Es war von so vielen Leuten vorhergesagt worden - auch von mir, wenn ich das hinzufügen darf. Es war so offensichtlich. Und die Tatsache, dass wir nicht vorbereitet waren, ist ein Verbrechen. Osama Bin Laden hat angekündigt, dass er es tun wird. Und er hat sein Wort gehalten. Wir hatten der Hart-Rudman-Kommission für die Nationale Sicherheit der USA im 21. Jahrhundert geschrieben, dass die Kräfte um Bin Laden und Al Qaida Jumbo-Jets in das World Trade Center und wichtige Gebäude in Washington fliegen würden. Wir waren nicht die Ersten und einzigen, die das sagten. Eine ganze Reihe von Leuten hatte es prognostiziert. Wenn man sich durchlas, was Bin Laden gesagt hat, und sich dann die Geschichte und sein Verhalten angeschaut hat. Er hat das World Trade Center schon einmal angegriffen. Und er kommt zurück, wenn er seine Ziele nicht beim ersten Mal erreicht. Es war also die einfachste Sache der Welt, diese Ereignisse vorwegzunehmen. Man konnte nicht wissen, dass es genau am 11. September stattfinden würde. Aber man wusste, es würde kommen. Im Verlauf des Sommers gab es viele Signale dafür, dass etwas Großes bevorstand. Und das war die Sache, die er am offensichtlichsten plante."

Nach dem Krieg gegen baathistische Regime im Irak kann sich derartiges in Bezug auf Saddam Hussein nicht mehr wiederholen. Die Erkenntnis "Man hätte es wissen müssen" wird es nicht mehr geben. Das Übel wurde mit Stumpf und Stiel entfernt. Dies ist sicherlich eine gute Nachricht, wenn sie auch nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass der ehemalige irakische Diktator bedauerlicherweis nicht der einzige, und vermutlich auch nicht der gefährlichste, von den Terrormeistern gewesen sein dürfte. Die Bemerkungen von Schwarz implizieren die richtige Erkenntnis, dass die Aufgabe der Regierung ist, die Bürger vor Kriminellen und äußeren Feinden zu schützen. Die Regierung Bush hat sich nach dem 11. September, zumindest verbal, dem Grundsatz verpflichtet, nicht mehr bloss passiv abzuwarten bis der Revolver abgefeuert wird ("smoking gun"), sondern auch präventiv gegen Staaten vorzugehen, die Terroristen unterstützen und Zuflucht gewähren. Ein derartig prinzipieller außenpolitischer Ansatz prägte vor dem 11. September die Außenpolitik der USA nicht. Es wurde kurzfristig und widersprüchlich agiert. Die pflichtschuldige Bombadierung eines vermuteten Trainingslagers von Terroristen ist kein Ersatz für eine stringente Außenpolitik. Dazu bedarf es einer großen Klarheit über das Wesen der Philosophie des Feindes und den Willen, das Übel an der Wurzel zu packen.

Bei diesem Feind handelte und handelt es sich um anti-westliche Nihilisten, die das Gute hassen, eben weil es gut ist. Jede Beschwichtigungspolitik gegenüber diesen Fanatikern ist zum Scheitern verurteilt, weil sie ihren Hass nicht besänftigt, sondern ihn geradezu stimuliert, weil diese Politik ihnen das Gefühl gibt, dass ihr Feind -die westliche Zivilisation- schwach ist. Geheimdiensterkenntnisse können eine Regierung wichtige Hinweise über Ausmass und Aktualität einer äußeren Bedrohung liefern. Trotz großer Bemühungen und gelegentlicher Erfolge der Geheimdienste wäre es fahrlässig, wenn sich westliche Regierungen der Illusion hingeben würden, damit die terroristischen Strukturen transparent machen zu können. Dies mag im Fall der deutschen NPD der Fall sein, bei den radikalen Islamisten ist die Abschottung und Geheimhaltung viel schwieriger zu durchstoßen. Im Fall von Osama Bin Laden -dies deutet auch Schwarz an- bedurfte es noch nicht einmal derartiger Erkenntnisse, um die Bereitschaft und die Fähigkeit dieses Terroristen zu erkennen, schwere terroristische Anschläge gegen den Westen, speziell gegen die USA, zu führen. 1996 gab Bin Laden bezeichnete Bin Laden die USA in einer Kriegserklärung als "Satan." Jeder gut informierte Zeitungsleser musste zu der Schlussfolgerung kommen, dass sich Amerika einer tödlichen Bedrohung durch einen ideologischen Feind ausgesetzt sieht. Im Falle einer solchen Klarheit ist es die Pflicht einer Regierung zu handeln. Auch präventiv.

Schwarz scheint davon auszugehen, dass es bei gut funktionierenden Geheimdiensten möglich gewesen wäre, die Terroristen vor dem Zuschlagen unschädlich zu machen. Dies wäre sicherlich ein großartiger Erfolg gewesen und hätte die Medien einige Tage in Aufregung versetzt. Es hätte aber nichts an der Grundkonstanten der Bedrohung des Westens geändert. Und vermutlich hätte es auch an der Ausrichtung der amerikanischen Außenpolitik wenig bis gar nichts geändert. Bin Laden hätte diesen Rückschlag benutzt, um seine Anstrengungen zu verstärken, um beim nächsten Mal erfolgreich zuschlagen zu können. Und dann hätte er die Geheimdienste möglicherweise überlistet. Gute Geheimdienstarbeit, so notwendig sie auch sein mag, ist kein Ersatz für eine rationale Außenpolitik der USA und anderer gutwilliger westlicher Nationen, die die Bedrohungen ihrer Bürger in großer Nüchternheit und Klarheit analysiert und rechtzeitig entsprechende Gegenmaßnahmen einleitet.
Wem kostet was?
ABC News meldet, dass die Steuerkürzungen auf Dividenden "mehr kosten als gedacht". Merke: Steuersenkungen sparen den Steuerzahlern Geld, sie kosten ihnen nichts.

Dienstag, Mai 20, 2003

Linkes Unbehagen über den BürgerKonvent
Vielleicht lohnt sich ein näherer Blick auf den neugegründeten Verein BürgerKonvent, wenn die linke Tageszeitung "Junge Welt" so wenig amüsiert reagiert: "Tatsächlich ist der Bürgerkonvent alles andere als ein 'ATTAC für Rentner', wie die taz mutmaßte. Ausgestattet mit viel Geld - bis Ende des Jahres soll das Budget sechs Millionen Euro betragen - rüstet hier eine rechte APO aus neoliberalen Intellektuellen und Unternehmern zum propagandistischen Sturmangriff auf die Reste des Sozialstaates." Schön wär's. Am Freitag will der Verein in einer ganzseitigen Anzeige in der Tageszeitung "Die Welt" durch ein Manifest sein Konzept präsentieren. Über genug Geld scheint der Verein in der Tat zu verfügen. Aber Ideen zählen nun einmal, und die Namen, die im Zusammenhang mit dem Verein genannt werden, gehören eher dem konservativen Mainstram in Deutschland an, mit all seinen pragmatischen Irrungen und Wirrungen.
Das war's für Paul Blair - erstmal
Was Paul Blair schon andeutete, ist jetzt wahr geworden. Sein objektivistischer Weblog "Interesting" wurde eineingestellt. Blair wies darauf hin -was der Verfasser dieser Zeilen sehr wohl nachvollziehen kann-, dass die Betreuung einer tagesaktuellen Website bei voller Berufstätigkeit kaum zu bewältigen sei. Im Durchschnitt hatte Blair etwa 150 Besucher auf seiner Website pro Tag, gelegentlich aber auch 200. Zahlen die ich mir gern zum Vorbild für dieses Projekt nehmen möchte. Immerhin will Blair nicht ausschließen, "Interesting" wieder aufzunehmen oder ein anderes Projekt zu starten. Was zu wünschen wäre. Zuviel Objektivismus im Netz kann es doch gar nicht geben. Übrigens: Dieser Blogspot wird mittlerweile von drei regelmäßigen Autoren getragen. Wer dem Objektivismus zugeneigt ist und hin und wieder etwas veröffentlichen möchte, lasse mich dies bitte wissen.
Fiktionale Zeiten
Eine neue Website, www.revoketheoscar.com, fordert einen Widerruf des Oscar-Preises für den Film "Bowling for Columbine" von Michael Moore. Den Preis hatte dieses anti-amerikanische Epos in der Kategorie "Dokumentation" gewonnen. Die Website verweist auf zahlreiche Unrichtigkeiten und Verfälschungen in Michael Moores Film. So wurden zum Beispiel Ausschnitte aus zwei Reden von Charlton Heston, dem Präsidenten der Vereinigung der Schusswaffenbesitzer National Rifle Association, so zusammengefügt, dass sie wie eine durchgehende Stellungnahme wirken, mit einer deutlich anderen Bedeutung als im Original. Szenen, die zeigen sollen, wie "leicht" es ist, in Amerika eine Schusswaffe zu kaufen, wurden von Moore inszeniert. Auch der Titel des Films ist bereits eine Fälschung, denn die Schüler, die für das Massaker an der Columbine High School verantwortlich waren, nahmen am Tag des Verbrechens keineswegs an einem Bowling teil. Die Website fordert eine Rückgabe des Preises für Moore: "Die Akademie kann Propaganda auszeichnen, wenn es ihr gefällt. Sie kann Anti-Amerikanismus auszeichen, wenn es ihr gefällt. Aber ihre eigenen Regel legen fest, dass eine Fiktion nicht der 'beste Dokumentarfilm' sein kann." Moores neuestes Projekt trägt den Titel "911 degrees Fahrenheit", was ungefähr 488,33333... Grad Celsius entspricht. Kein sonderlich ansprechender Titel für den europäischen Markt. Es bleibt nur hoffen, dass Moore nicht in der Lage sein wird, sein Projekt zu Ende zu führen.

Montag, Mai 19, 2003

Ohne Individualismus kein Wirtschaftswachstum
Selbst wohl meinende Beobachter des Bundeskanzlers dürften sich mittlerweile des Eindrucks nicht mehr erwehren können,dass zwischen der Kanzlerschaft der Herren Kohl und Schröder kein allzu großer Unterschied besteht. Üblicherweise wird dies mit der Vokalbel "Stillstand" beschrieben, an der auch Schröder nichts geändert habe.
Christoph Keese sieht in Financial Times Deutschland sieht den Kanzler mittlerweile auch in der Haftung für die Fehler seines Vorgängers: "Was hätte Schröder anders machen sollen? Er hätte 1998 analysieren müssen, welcher Faktor mit dem größten Hebel auf die Volkswirtschaft, den Haushalt, die Sozialsysteme und damit auf seine Kanzlerschaft wirkt. Dabei wäre das Wirtschaftswachstum herausgekommen. Keine andere Größe entfaltet so viel Hebelkraft auf alle Politikfelder wie diese. Hätte Schröder das Ankurbeln des Wachstums zu seinem zentralen Ziel erklärt, hätte er daraus alle Reformen ableiten und begründen können."

Sonntag, Mai 18, 2003

Die Justiz gegen die persönliche Verantwortung
In Deutschland würden wohl nur Kinder und Narren annehmen, dass Kriminelle, die zu lebenslänglich Gefängnis verurteilt wurden, auch tatsächlich bis zum Ende ihres Lebens im Gefängnis sitzen. In den Niederlanden gibt es tatsächlich ein "lebenslänglich", dass diesen Namen auch verdient. Diese Strafe wird eben deshalb auch bezeichnenderweise sehr selten ausgesprochen, auch nicht für den Mörder des Politikers Pim Fortuyn, der kürzlich nur zur einer zwölfjährigen Gefängnisstrafe verurteilt wurde. Vermutlich gingen die holländischen Richter in einer Zukunftsbetrachung davon aus, dass das Phänomen "Fortuyn" eine derartige Einmaligkeit besitzt, dass der Täter im Laufe seines weiteren Lebens eine solche Tat nicht noch einmal begehen wird und deshalb nur milde zu bestrafen ist. Mit einer gewissen Konsequenz werden in Deutschland immer wieder Diskussionen lanciert, die auch eine formelle Abschaffung der lebenslänglichen Freiheitsstrafe fordern. In einer abstoßenden moralischen Argumentation wird dies mit der subjektiven Befindlichkeit ... der Täter begründet. Aber dies ist nur die Spitze eines Justiz-Eisberges, der die persönliche Verantwortung des Straftäters für seine Taten ersetzt durch Bemühungen, ihn gleichsam wie ein verirrtes Schaf durch verschiedene Maßnahmen der "Wiedereingliederung" wieder auf den richtigen Weg zu bringen, unabhängig von der persönlichen Schwere seiner Schuld. Die Verwendung des Wortes "Resozialisierung" für die Bemühungen um eine Besserung der Kriminellen ist äußerst verräterisch, zeigt sie doch an, dass die Befürworter dieses Konzeptes davon ausgehen, dass es sich bei Kriminellen um normale Menschen handelt, die nur durch ungünstige äußere Bedingungen oder psychische Vorbelastungen zu ihren Taten "getrieben" wurden. Die USA scheinen für den oberflächlichen Betrachter eine Ausnahme unter den westlichen Staaten bei der Behandlung von Straftätern zu sein. Diese Einschätzung dürfte vorwiegend auf die Diskussion um die in Amerika gelegentlich vollstreckten Todesstrafe zurückgehen, die die europäische Gutmenschen immer wieder aufs Äußerste erregt, und amerikanische Gefängnisfilme, die einen ausgesprochen ungemütlichen Eindruck von der amerikanischen Gefängnisrealität vermitteln.

Bedauerlicherweise ist auch das amerikanische Justizsystem viel weniger auf Gerechtigkeit und persönliche Verantwortung fixiert als man dies gemeinhin annimmt. Davon zeugt das Buch Criminal Justice - The Legal System vs. Individual Responsibility, das von Robert James Bidinotto herausgegeben wird. So gibt es auch in Amerika solche Dinge wie Bewährungsstrafen, vorzeitige Haftentlassungen, hohe Rückfallquoten, Freigänge und Hafturlaube mit oft katastrophalen Folgen. Um mit dem Reizthema Todesstrafe zu beginnen. Bidinotto vertritt die Auffassung, dass die Todesstrafe für Mord die Standardstrafe sein sollte, jedenfalls dann, wenn an der Schuld des Täters kein vernünftiger Zweifel mehr bestehen kann und keine mildernden Umstände geltend gemacht werden können. Dies wäre zum Beispiel im Mordfall Fortuyn der Fall gewesen. Oder welche mildernden Umstände sollte es geben für einen Täter, der einen ihm nur aus den Medien bekannten Politiker ermordet, bloss weil er anderer Meinung war als er selbst? Nicht verhängt werden sollte die Todesstrafe, wenn der Prozess überwiegend auf Indizienbeweisen beruhte. Die Hauptstossrichtung des Buches geht gegen die, die Bidinotto als "Entschuldiger" bezeichnet. Ihre Prämisse lautet: Die Straftäter sind nicht selbst verantwortlich. Dies geht bis zu Forderungen, die Gefängnisse abzuschaffen. In den sechziger und siebziger Jahren initiierte die Entschuldigungsindustrie eine leise Revolution im Justizsystem von Amerika. Die Kriminellen sollten nicht mehr bestraft, sondern "rehabilitiert" werden. Unterschiede tun sich bei den Entschuldigern nur bei der Frage auf, welche Faktoren, über die die Täter selbst keine Kontrolle haben, für die Kriminalität ursächlich sind.

Bidinotto hingegen entwirft den Umriss eines Rechtssystems, das die persönliche Verantwortung des Täters wieder beachtet. Kernstrategie ist die Durchsetzung des Prinzips der "moralischen Retribution".
Nach dieser Strategie würde dem Kriminellen eine Strafe auferlegt, die der Schwere des Schadens entspricht, die er angerichtet hat. "Retribution" soll im Sinne einer "Reflektion" die negativen Konsequenzen seiner Tat auf den Verursacher selbst zurückwerfen. Proportionalität zwischen Verbrechen und Strafe bedeutet Gerechtigkeit. Bidinotto definiert Gerechtigkeit folgendermaßen: "Ein moralisches Prinzip, das die Kausalität anerkennt und individuelle Verantwortlichkeit zuweist in den sozialen Beziehungen." Aber Gerechtigkeit ist kein Ziel an sich, sondern ein Mittel zur Erreichung eines höheren Zieles: dem inviduellen menschlichem Leben. Diese Gerechtigkeit ist untrennbar mit der Philosophie des Individualismus verbunden, weil es die Verbindung zwischen Ursache und Wirkung nicht zerschlägt, wie dies der Kollektivismus tut. Der Kollektivismus akzeptiert nicht, dass die handelnden Individiuen die primären Nutznießer ihrer Handlungen sein sollten, sondern andere Personen, die nicht gehandelt haben. Nicht jede Ungerechtigkeit ist allerdings schon als "kriminell" zu bezeichnen. In einer Gesellschaft, die auf der Anerkennung der individuellen Rechte beruht, ist ein Verbrechen "jede bewusste, nicht einverständliche Handlung, die die Initierung von Gewalt, Betrug oder Zwang gegen eine andere Person oder gegen andere Personen umfasst".

In der konkreten Ausgestaltung seines Konzepts fordert Bidinotto zum Beispiel eine "progressive Bestrafung". Dies bedeutet, dass der Täter für den ersten Betrug zwei Jahre Gefängnis bekommt, für den nächsten vier Jahr und dann acht Jahre usw. Eine staatliche Entschädigung der Opfer wird abgelehnt, da dadurch alle Steuerzahler gezwungen werden die Untaten von einzelnen Individuen auszugleichen.
Für geringere Vergehen können Geldstrafen und Schadenersatzleistungen ausreichend sein. Für ernsthaftere Delikte ist die Verhängung einer Gefängnisstrafe die unumgängliche Maßnahme. Damit wird nicht nur der Gerechtigkeit genüge getan, ein Gefängnisaufhenthalt ist auch eine sichere Methode der Unschädlichmachung des Kriminellen und damit kriminalitätsreduzierend. Während er im Gefängnis sitzt, kann er keine weiteren Straftaten gegen unschuldige Bürger verüben. Sollten Gefängnisinsassen arbeiten, sollten die Erträge zur Entlastung des Steuerzahlers herangezogen werden, dem nicht zugemutet werden kann, über Gebühr an den Kosten des Unterhalts und der Bewachung der Kriminellen beteiligt zu sein. Eine weitere große Kostenentlastung des Steuerzahlers würde eintreten, wenn die Heerscharen von Sozialarbeitern, Psychologen und Psychiatern aus den Gefängnissen hinausgeworfen würden. Weder "gute Führung" noch Blutspenden noch religiöse Erweckungserlebnisse können Strafnachlässe begründen.