Samstag, Januar 17, 2004

Kostenkontrolle oder Gerechtigkeit - Der Weg des Strafrechts
In der Präambel der amerikanischen Verfassung wird der zentrale Zweck des Staates mit den Worten beschrieben, dass "die Gerechtigkeit zu verwirklichen" und "die Ruhe im Innern zu sichern" sei. Dabei ist die Reihenfolge natürlich nicht beliebig, denn dass "Ruhe im Innern" die Folge der Verwirklichung von Gerechtigkeit ist, liegt auf der Hand, aber "Ruhe im Innern" allein verwirklicht noch keine Gerechtigkeit.

Gerechtigkeit in Bezug auf die Bekämpfung der Kriminalität erfordert als Basis der Strafjustiz das Prinzip der Retribution, d. h. der proportionalen Bestrafung des Übeltäters. Dies ist etwas völlig anderes als eine Rachejustiz, denn in diesem System ist es gerade nicht zulässig, dass private Rache, die unangemessen sein kann, gegen Täter verübt werden kann. Proportial ist eine Strafe dann, wenn das Gesetz den Grad der Schädigung anerkennt und entsprechend reagiert wird. Ein Vorgehen im Sinne eines "Auge um Auge, Zahn um Zahn" muss natürlich nicht vorliegen, d. h. eine Orientierung an der Art des Verbrechens.

Als ungerecht müssen hingegen System verworfen werden, die auf utilitaristischen Überlegungen beruhen, d.h. die allgemein eine niedrigere Kriminalitätsrate für die gesamte Gesellschaft anstreben oder andere Zielvorstellungen haben, die einer möglichst großen Zahl an Menschen einen möglichst großen Nutzen bringen sollen. Derartige Gedankensystem verbergen sich hinter Schlagworten wie "Prävention", "Rehabilitierung" oder auch "Restitution". Ein Strafrecht, welches auf dem Gedanken der Restitution basiert, findet besondere Unterstützung in anarchistischen (anarcho-kapitalistischen, markt-anarchistischen) Kreisen. Dass das Ziel eines solchen Systems nicht Gerechtigkeit ist, macht der Aufsatz "Criminals owe debt to victims, not society" von Wendy McElroy, deutlich. Sehr bezeichnend an diesem Aufsatz ist die Tatsache, dass in diesem Aufsatz das Wort "Gerechtigkeit" (justice) als Ziel ihres Rechtssystems nur ein einziges Mal vorkommt, häufig aber Begriffe wie "Steuerzahler" oder "Kosten". Und sie sagt nie, dass sie erwartet, dass ihr System zu einer Verminderung der Kriminalität beitragen könnte.

Bereits in den ersten Sätze macht die Autorin deutlich, dass es ihr in erster Linie um "Kostenkontrolle" geht, wenn sie auf die Zahl von 2 033 331 Strafgefangenen hinweist (Stand: 31.12.2002) und auf die damit verbundene, und weiter wachsende, Belastung der Steuerzahler.
Ihre Lösung fasst sie in dem Wort "Restitution" zusammen, oder in zwei zusammengesetzten Wörtern: "Opferrechte." Bedauerlicherweise hat das eine recht wenig mit dem anderen zu tun, was im folgenden Gegenstand der Untersuchung sein soll. Denn wie wäre es zum Beispiel, wenn der Ehepartner eines Mordopfers keine "Restitution" von dem Täter fordert, d. h. eine finanzielle Entschädigung, sondern den Kopf des Mörders - also seine Exekution, und damit seinem "Opferrecht" genüge getan sieht? McElroy unterstellt, dass Opfer ausschließlich oder primär daran interessiert sind, eine finanzielle Entschädigung zu erhalten, während der Staat (= die Gesellschaft) ein Interesse an Bestrafung, Unschädlichmachung und Abschreckung habe. Tatsächlich stellen aber reale Opfer von Straftaten fast immer die Forderung, dass der Täter angemessen bestraft wird, und besonders die Opfer schwerer Straftaten befürchten weitere Opfer, wenn die Täter nicht unschädlich gemacht wird. Wer auf die Opfer von Verbrechen hört, weiß, wie Ilana Mercer schreibt, dass die Formulierungen, die die Anarcho-Kapitalisten vorbringen, "zu den Anforderungen der Theorie passen, nicht der Menschlichkeit."

Gerade bei besonders schwerwiegenden Verbrechen ist eine "Wiedergutmachung" oder ein "Ersatz" schier unmöglich, denn ein Opfer könnte einen Angriff nicht überlebt haben und somit als Nutznießer einer Restitution gar nicht mehr zur Verfügung stehen oder völlig traumatisiert sein, was ein normales Leben für die Zukunft ausschließt. Zweitens tritt das Problem auf, dass das Ausmaß der Restitution strittig sein könnte, was die Befürworter eines solchen Systems auch offen einräumen. Durch Mediatoren sollen solche Streitfälle geschlichtet werden, wobei diese Institutionen sich allerdings nicht von dem von den Anarchisten verabscheuten staatlichen Justizsystem unterscheiden, da sie durch Zwang Regelungen verbindlich machen sollen.

Die Kosten, die die Täter zu tragen haben, umfassen nicht nur die direkten Zahlungen an das Opfer oder seine Hinterbliebenen, sondern auch die Gerichtskosten und die Kosten für eine mögliche zwangsweise Eintreibung der Entschädigungen. Dies listet Wendy McElroy auch auf. Nicht vergessen werden sollten allerdings auch die Kosten für die Ergreifung des Täters, die im Einzelfall in die Millionen gehen könnten. Welcher Straftäter, bei deren bekanntermaßen geringen Neigung zu einer normalen, produktiven Tätigkeit , wäre in der Lage , diese Kosten im Laufe seines Lebens zu bezahlen? Wie Robert James Bidinotto feststellt, ist die Vorstellung, dass dies ausgerechnet die unproduktivsten Mitglieder der Gesellschaft leisten können und wollen, jenseits jeder Realität: "Kriminelle sind notorisch unproduktiv, während sie einen horrenden Schaden anrichten. Von ihnen zu erwarten, dass sie in der Lage wären, die Opfer zu entschädigen, ist einfach absurd."

Am besten könnte ein Täter die Restitution natürlich erarbeiten, wenn er sich in Freiheit befände, und damit die Kosten für die Inhaftierung entfallen würden und die Organisation der Erwerbstätigkeit erleichert würde. Dass dies für die meisten Opfer schwerer Straftaten eine provozierende Ungerechtigkeit darstellen dürfte, scheint McElroy nicht ins Kalkül zu ziehen, denn trotz ihrer betont individualistischen Argumentation ("Die realen Opfer verdienen es, im Fokus des Rechts zu stehen."), ist ihr zentrales Ziel die geringstmögliche Belastung des Steuerzahlers. Bei den direkten Zahlungen an die Hinterbliebenen eines Mordopfers nennt McElroy Zahlungen für Lebensmittel, die Hypothek oder das Schuldgeld, die vom Täter zu tragen wären. Sollten derartigen Kosten aufgrund des sozialen Milieus, in dem das Opfer lebt -bei Obdachlosen besonders auffällig-, gar nicht anfallen, wäre der Täter entsprechend entlastet. Es könnte sich allerdings auch ganz einfach um eine entsprechend vermögende Person handeln, für die derartigen Kompensationen keine schwerwiegende Bürde darstellen würden. Oder umgekehrt: Welch eine Gerechtigkeit könnte eine millionenschweres Ehepaar darin erblicken, wenn ihm ein Gericht eine Entschädigung für ihr ermordetes Kind zuspricht, die ein Mann erarbeiten soll, der bisher durch die Abstinenz von jedweder produktiven Tätigkeit auffiel.

Nur in extrem seltenen Fällen, bei gewaltätigen Wiederholungstätern, befürwortet McElroy eine dauerhafte Inhaftierung. Aber auch hier ist ihre Wortwahl verräterisch. Sie spricht von eine "präventiven Inhaftierung", d. h. eine Haft, die weitere Straftaten in der Zukunft verhindern soll, aber nicht eine, die eine gerechte, verdiente Strafe für bereits begangene Taten darstellt. Die Verhängung einer Restitution setzt natürlich voraus, dass der Täter überhaupt gefaßt wird und abgeurteilt werden kann. Die Frage ist allerdings, wer dies in einem durch private Unternehmen gestalteten Rechtssystem leisten soll. Gerade das Beispiel einer Mordserie an Obdachlosen macht das Problem eines profitorientierten Rechtssystemes schlaglichartig deutlich. Welches profitorientierte Unternehmen sollte ein Interesse daran haben, Millionen für die Ergreifung und Verurteilung und spätere Überwachung eines Täters auszugeben, der mittellose Personen ermordet hat? Dies wäre ökonomisch sinnlos, weil Retribution kein ökonomisches Gut ist. Dafür ist eine Institution erforderlich, die nicht dadurch begrenzt ist, dass ein Profit realisiert werden muss. In anderen Worten, ein Staat.

Ilana Mercers Resümee über das alternative System der Restitution läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: "Dadurch, dass sie eine proportionale Bestrafung verwerfen zugunsten einer üblicherweise unverhältnismäßig armseligen 'Restitution', befürworten Liberal-Anarchisten eine systematische Ungerechtigkeit."

Literatur:
Robert James Bidinotto: The goal of law: justice or "utility"?
Ilana Mercer: The criminal's theoretical enables
Wendy McElroy: Criminals owe debt to victims, not society



Freitag, Januar 16, 2004

Altruismus und Israel
Paul Blair nennt den Artikel "Europe's Anti-Semitic Excuses" von Hillel Halkin absolut nicht überzeugend. Der Autor sieht im christlichen Antisemitismus die Quelle der Unterstützung für die Palästinenser in Europa. Blair bemerkt dazu: "Er völlig blind für die Rolle des Altruismus - aufgrund dessen die Linke Israel unterstützt hat, wo es ein Underdog war, und jetzt im Stich läßt, wo es stark und mächtig ist."

Interessanter Kommentar von Blair, der auf einen Aspekt von Altruismus hinweist, der häufig vernachlässigt wird. Es geht den Altruisten nicht nur um das Weggeben von Werten, sondern sie predigen auch eine Umkehrung der Werte. Schwäche, Hilflosigkeit, Armut wird als moralisch höherwärtiger eingestuft als Kompetenz, Stärke und Reichtum. Besonders deutlich wird dies in der bekannten Bibelstelle aus Matthäus 19,24 und Markus 10,25: "Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als ein Reicher in das Himmelreich."

Donnerstag, Januar 15, 2004

Die Schwierigkeiten bei der Leitung eines objektivistischen Klubs
Alex Epstein wendet sich auf seiner Website einem Thema zu, dass für Deutschland, Österreich oder die Schweiz -leider- nur eine theoretische Bedeutung hat: Wie führe ich einen objektivistischen Klub an einer Universität? Trotzdem scheint mir seine Antwort von Interesse zu sein, nicht nur für zukünftige Strukturen an Universitäten, sondern allgemein für jeden, der sich mit dem Objektivismus beschaftigt und aus dieser Philosophie Nutzen für sein persönliches Leben ziehen möchte. Epstein schreibt, dass die Leitung eines objektivistischen Universitätsklubs eine enorme Herausforderung darstellt, weil man Studenten dazu bewegen muss, sich in ihrer freien Zeit mit Philosophie zu beschäftigen, was die meisten Studenten auf den ersten Blick als wenig attraktiv ansehen dürften. Aber diesen skeptischen Studenten kann ein fantastisches Angebot gemacht werden: "Die Philosophie, die Sie verkaufen, ist alles andere als sinnlos - sie ist der Schlüssel zu einem fantastischen Leben. Wenn jemand den Objektivismus konsequent praktiziert, kann er eine aufregende Karriere erreichen, eine leidenschaftliche romatische Liebe, enge Freundschaften und eine tiefe Bewunderung für die Kunst. Studenten sollten den Klub als ein Mittel zu einem glücklicheren, erfüllten Leben ansehen - nicht als Ort, wo Ideen in einem Vakuum diskutiert werden, aus irgendeiner intellektuellen Pflicht heraus." Epstein warnt davor, im Klub abseitige politische Themen zu diskutieren, wie Liberalismus, Anarchismus, die Finanzierung des Staates ohne Steuern, Rechte von geistig behinderten Menschen etc. Dies sei der beste Weg, gute Studenten zu vergraulen. Er empfiehlt, zumindest zu Beginn, eine Diskussion der objektivistischen Ethik, des zentalen Zweiges der Philosophie, aus dem die Studenten den größten Nutzen ziehen können, um ein erfolgreiches Leben zu führen. Nach jedem Treffen sollten die Studenten ein größeres Verständnis für den Objektivismus haben und seiner Bedeutung für ihr eigenes Leben. Aber es gibt noch einen weiteren wichtigen Faktor für einen objektivistischen Klub, den Epstein anspricht, nämlich die Person des Leiters: "Für einen Klubleiter ist es notwendig, dass dieser den Objektivismus selbst praktiziert. Dies bedeutet, ein lebendes Beispiel zu werden, für den Lohn, den man erhält, wenn man nach einer rationalen Philosophie lebt."

Beispiele für objektivistische Klubs an amerikanischen Unis:
University of Michigan Students of Objectivism
University of Oklahoma Objectivist Club
GMU Objectivist Club

Mittwoch, Januar 14, 2004

Daniel Pipes: Alte Verschwörungen, neuer Glaube
Manche Leute glauben an den verlorenen Kontinent Atlantis und an UFOs. Andere machen sich Sorgen wegen einer Geheimgesellschaft des 18. Jahrhunderts namens „Bavarische Illuminati" oder eine mythische, zionistische besetzte Regierung, die heimlich die Vereinigten Staaten beherrscht.

Was würde passieren, wenn diese grundverschienenen Elemente ihren Glauben teilten, sich zusammen täten, ein viel größeres Publikum gewönnen, aus ihrem intellektuellen und politischen Ghetto ausbrächen und in die Lage kämen, die Grundlagen des öffentlichen Lebens in den USA herauszufordern? Das ist die erschreckende Aussicht, die von Michael Barkun in seinem wichtigen, gerade veröffentlichten Buch „A Culture of Conspiracy: Apocalyptic Visions in Contemporary America" (Eine Verschwörungs-Kultur: Apokalyptische Visionen im zeitgenössischen Amerika; University of California Press) ganz nüchtern vorstellt.

Um zu verstehen wie neu dieses Potenzial ist, muss man etwas über die Geschichte der Verschwörungstheorien wissen.

Der vollständige Text in deutscher Sprache hier

Dienstag, Januar 13, 2004

Dessen bin ich mir sicher
Wenn Gewissheit bedeutet, dass ich nie Unrecht habe und die Fähigkeit besitze, Entscheidungen zu treffen, ohne dass ich diese jemals bereuen muss, dann gibt es so etwas wie Gewissheit nicht.

Wenn Gewissheit bedeutet, alle notwendige Fakten zu kennen, sich auf sie zu konzentrieren und aus ihnen die logischste Schlussfolgerung zu ziehen, dann existiert Gewissheit ganz sicher.

Existiert Gewissheit? Natürlich tut sie das. Dessen bin ich mir sicher.

Michael Hurd

Montag, Januar 12, 2004

Länderrangliste der freien Marktwirtschaft
Wie das Tagblatt berichtet, ist Hongkong nach wie vor -zum zehnten Mal in Folge- die Region auf der Welt mit der größten wirtschaftlichen Freiheit. Die zeigt der neueste Freiheitsindex ("Index of Economic Freedom") der Heritage Foundation und des Wallstreet Journals. In Europa nimmt Luxemburg den besten Platz ein, gefolgt von Irland. Die Schweiz kommt auf Rang 9, unmittelbar vor den USA. Deutschland verbessert sich um einen Platz auf die Position 18, gilt aber nur als "überwiegend freies" Land. Schlechte Noten erhielte Deutschland für die Bereiche "Steuern" und "Bankenwesen" (hoher Einfluss von öffentlich-rechtlichen Banken). Mit der Bestnote 1,0 wurden dagegen die Geldpolitik, die Eigentumsrechte und die Bedingungen für Auslandsinvestitionen bedacht. Der Aufsteiger des Jahres in Europa ist die Slowakei, die sich auch in Zukunft in der Rangliste weiter verbessern dürfte, denn zum Jahreswechsel hat das Land eine "Flat Tax" von 19 % bei Einkommens- und Körperschaftssteuer eingeführt. Das Land mit dem größten Punktabschlag weltweit ist Venezuela, das sich im Würgegriff des marxistischer Präsidenten Chavez befindet. Auch über die letzten zehn Jahre gesehen hat Venezuela den größten ökonomischen Freiheitsverlust zu verkraften. Das Wirtschaftssystem des Landes gilt nur noch als "repressiv".

Siehe auch Neue Zürcher Zeitung
Nähere Information zum Index auch direkt bei der Heritage Foundation
Der gesamte Text lässt sich hier downloaden

Sonntag, Januar 11, 2004

We proudly present ...
Soeben habe ich den letzten Text auf meinen Blog www.objektivismus.blogspot.com gestellt. Damit ist der Grundkurs Objektivismus, der auf dem Text "Objectivism for Dummies" von Michael Duff basiert, abgeschlossen. Derjenige, der noch keine oder geringe Vorkenntnisse über den Objektivismus besitzt, kann sich anhand dieses Textes eine gute Basis für weitere Studien verschaffen. Viel Spass bei der Lektüre! Der Blog "Objektivist" verfügt jetzt auch über ein Archiv von interessanten Texten, die über die Stichwörter auf der linken Seite aufgerufen werden können.