Samstag, Juli 17, 2004

Unschuldige und Gesetzesvollzug
Spätestens seit dem 11. September ist im Bewußtstein der breiteren Öffentlichkeit verankert, dass zivile Flugzeuge als Waffen eingesetzt werden können. Damit drängte sich auch die Frage auf, wie mit einer solchen Bedrohung umgegangen werden sollte. Keine Frage ist, dass es sich bei den Passagieren eines entführten Flugzeuges um Unschuldige handelt, um Menschen, denen der Rechtsstaat helfen sollte, indem er die bedrohliche Situation für diese Unschuldigungen beseitigt. Nun besitzt bedauerlicherweise keine Regierung der Welt  fliegende Superhelden, die bedrohten Menschen aus den unmöglichsten Situationen retten können. Dies gibt es Filmen, nicht in der Realität. So müssen wir uns dem Gedanken stellen, dass es Situationen geben könnte, wo ein Flugzeug und seine unschuldigen Passagiere und Besatzungsmitglieder als verloren angesehen werden müssen. Wenn den unschuldigen Opfern an Bord einer entführten Maschine nicht mehr geholfen werden kann, dann sollten alle Anstrengungen unternommen werden, um weitere Opfer am Boden zu verhindern. Dies muss als letztes Mittel den Abschuss der Maschine einschließen. Wichtig ist es, zu betonen, dass in einem solchen Fall nicht die Regierung Massenmord begeht, sondern die Terroristen und ihre Hintermänner. Sie sind es, die Gewalt initiieren. Alle Folgen dieser Initiierung von Gewalt durch diese Verbrecher müssen ihnen angelastet werden. Sollte die Regierung zum Abschuss eines Flugzeugs gezwungen sein, müßten die Hintermänner der Entführung als Mörder angeklagt werden. Gleichwohl handelt es sich sicherlich um eine äußerst schwierige Entscheidung, denn wir sprechen über Möglichkeiten, d. h. es geht darum, Wissen zu erlangen über nicht-aktualisierte Potentiale. Der letzte Grad an Gewissheit kann erst erreicht werden, wenn die Maschine auf dem Boden aufgeschlagen ist, wenn sich also das Potential verwirklicht hat. Da jedes Handeln dann zu spät kommt, kann nur überlegt werden, welchen Grad an Sicherheit über einen möglichen Einsatz einer Maschine als Waffe wir akzeptieren wollen. Wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit belegt ist, dass es ein solcher Fall eintreten wird,  sollte die Regierung entsprechend handeln. Natürlich sollten vorher alle Möglichkeiten ausgeschöpft worden sein, den Unschuldigen in der entführten Maschine doch noch helfen. Kein Trick oder keine Lüge sollte der Regierung verwehrt werden, um die Entführer zur Aufgabe zu zwingen.
 
Der Strafrechtsprofessor und Philosoph Reinhard Merkel  hat sich in einem Aufsatz in der ZEIT unter dem Titel "Wenn der Staat Unschuldige opfert" vehement gegen den seiner Ansicht nach "beispiellosen Tabubruch" des am 18. Juni vom Bundestag verabschiedeten Luftsicherungsgesetzes ausgesprochen, das den Abschuss von Passagiermaschinen unter gewissen Bedingungen legitimiert. Merkel hat sicherlich Recht, wenn er davon spricht, dass Grundrechte "anti-ulilitaristisch" sind, dass es sich nicht um eine Frage der Zahlen handelt. Ob im entführten Flugzeug hunderte von Unschuldigen sitzen oder nur zwei oder drei, spielt keine Rolle. Es sind aber die Täter, die den Opfern ihre Rechte streitig machen, nicht die Regierung, die zum Abschuss bereit ist. Die Regierung schießt eine Maschine ab, die zur Waffe geworden ist in der Hand von Kriminellen. Die von Merkel genannten Beispiele konstruieren  andere Zusammenhänge, die in der Tat die Regierung oder Privatpersonen nicht zum Handeln legitimieren. Die Regierung darf keinen Unschuldigen exekutieren, wenn Terroristen im Falle einer Unterlassung mit einem Terroranschlag größter Dimension drohen. Ein Individuum darf nicht zur Rettung seines Kindes in einem Krankenhaus den einzig verfügbaren Respirator von einem fremden Kind entfernen. Aber die Regierung, und auch Privatpersonen im Falle einer Notwehr, sind zur Anwendung vergeltender Gewalt gegen einen Initiator von Gewalt legitimiert. Merkels Position würde dazu führen, dass die Regierung vergeltende Gewalt nicht anwenden darf, sobald sich die Rechtsbrecher hinter auch nur einem Unschuldigen verstecken würden. Er nennt allerdings ein Beispiel, dass der Situation des Passierflugzeuges, das als Waffe eingesetzt werden soll, nahe kommt: "Legt eine schwangere Frau mit der Pistole auf ihren Liebhaber an, um ihn zu töten, so ist es abwegig, auch den Embryo in ihrem Uterus zur Gefahrenquelle für den Bedrohten zu erklären. Tötet dieser in rechtmäßiger Notwehr die Frau, so tötet er das Ungeborene gleichwohl ohne Rechtfertigung. Gewiss entschuldigt ihn das Strafrecht dafür und bestraft ihn nicht. Aber es erkennt diesen Teil seiner Tat nicht als objektiv rechtmäßig an." Tatsächlich sollte dies der Fall sein, denn von der Frau ging die Initiierung der Gewalt aus, mit all ihren Folgen. Kurioserweise versucht Merkel am Ende seines Artikels, wenn auch widerwillig, die Intention des Luftsicherungsgesetzes zu rechtfertigen. Er konstatiert eine "Asymmetrie der Rettungschancen", die als Begründung aber nicht ausreiche, und als  ultimative Rechtfertigung schließlich den Angriff auf den Staat "als Garant des öffentlichen Friedens". Merkel hat sich so in seinen Argumenten verheddert, dass ihm als Ausweg letztendlich nur noch eine utilitaristische Begründung bleibt, weil ihm wohl doch schwant, dass ein kategorisches "Nein" zu einem gewaltsamen Vorgehen gegen ein ziviles Flugzeug, das als Waffe eingesetzt werden soll, jedem gesunden Menschenverstand widersprechen würde.            




Freitag, Juli 16, 2004

Libertäre und Michael Moore
Der amerikanische Polit-Kasper Michael Moore findet in bestimmten libertären Kreisen durchaus Unterstützung. Tom White bezeichnet auf lewrockwell.com Moore's Film Fahrenheit 9/11 als "Meisterwerk". Auch Lew Rockwell selbst sieht Moore's Film durchaus positiv.



Donnerstag, Juli 15, 2004

Roter Hemmschuh
Henning Krumrey berichtete im Focus schon am Montag über die neueste Ausgabe der Studie Economic Freedom of the World, die vom Fraser Institute und 61 anderen Forschungsinstituen jährlich herausgegeben wird. Hier gibt es heute die internationale Presseerklärung. Insgesamt wurden Daten für 123 Länder erfaßt, basierend auf Angaben aus dem Jahr 2002. Die Spitzenposition nimmt Hongkong ein, gefolgt von Singapur, Neuseeland und der Schweiz. Am unteren Ende der Liste befinden sich Venezuela, die Zentralafrikanische Republik, die Demokratische Republik Kongo, Simbabwe und Myanmar. Für Länder wie Nord-Korea und Kuba, die möglicherweise noch unfreier als die genannten Länder sind, waren keine Daten verfügbar. Deutschland verschlechterte sich gegenüber dem Vorjahr um zwei Plätze und wird nun auf Platz 22 geführt: "Besonders eklatant ist der deutsche Absturz seit dem Amtsantritt von Gerhard Schröder. Rangierte das Mutterland der sozialen Marktwirtschft im Jahr 2000 noch auf Rang 15, stürzte es innerhalb von zwei Jahren auf die 22. Stelle ab. Allerdings: Die Reformen der Agende 2010 kamen für den aktuellen Test zu spät. (...)
Der Durschnittsrang 22 verdeckt die deutsche Schwäche: den verriegelten Arbeitsmarkt. Dort liegt Deutschland auf dem vorletzten Platz. Nur im Senegal herrscht bei der Beschäftigung von Mitarbeitern noch weniger Freiheit."

Mittwoch, Juli 14, 2004

Die USA, Land der Denkfabriken
Hagen Werner beschäftigt sich auf rbi-aktuell.de mit "konservativen" amerikanischen Denkfabriken, darunter auch das Cato Institute: "Diese Denkfabrik, 1977 von Edward H. Crane gegründet und bis zum heutigen Tage von ihm geleitet, gilt als eine Art Plattform der 'Libertären' in den USA.

Auf jeden Fall gehört sie mit 90 festen Mitarbeitern und einem Netzwerk von 76 Forschern zu den großen Instituten.

Das 'Cato Institute' lehnt sämtliche Regulierungsbemühungen des Staates ab, die über die typischen "Nachtwächterfunktionen", also im wesentlichen Ordnungs- und Schutzaufgaben, hinausgehen."

Leider ist dem Autor das Ayn Rand Institute nicht bekannt oder keine Erwähnung wert, aber ist es genau diese Struktur der mehr oder weniger pro-kapitalistischen Denkfabriken, die Amerika von Deutschland unterscheidet und die eine entscheidende Bedeutung im "Krieg der Ideologien" hat.

Der Weg ins Aus
In meinem Kommentar zur geplanten Libertären Plattform in der FDP schrieb ich, dass ich mir nicht vorstellen könne, dass diese Gruppierung einen robusten Rechtsstaat vertritt. Tatsächlich wird im Diskussionsforum der LP das Gegenteil eines robusten Rechtsstaates vertreten, nämlich Anarchie:

- Sofortige Auflösung von Geheimdiensten, Polizei und Militär
- Sortige Auflösung staatlicher Gerichte
- Nichtigkeit des Strafrechts.

Dienstag, Juli 13, 2004

Ayn Rand auf DVD
Bei amazon.de ist jetzt der Spielfilm "The Passion of Ayn Rand" als DVD erhältlich (siehe Filmliste). Die Figur von Ayn Rand wird von Helen Mirren gespielt. Eine deutsche Version wurde unter dem Titel "Ayn Rand - Leben und Liebe für die Literatur" bei Premiere gezeigt, allerdings ist mir nicht bekannt, ob der Film in dieser Version auch käuflich zu erwerben ist.
John Kerry - Das kleinere Übel?
Ob George W. Bush bei den Präsidentschaftswahlen mit der Stimme des Philosophen Leonard Peikoff rechnen kann, erscheint fraglich, denn ein Teilnehmer des DIM-Kurses berichtet darüber, dass Peikoff Kerry als das kleinere Übel im Vergleich zu Bush betrachtet (siehe d-Anconia.com). Nach der DIM-Theorie sei ein disintegrierter Mensch gefährlicher als ein misintegrierter, wobei Bush aufgrund seiner religiösen Überzeugungen und Initiativen für D steht. Nach meinem Kenntnisstand zur DIM-Hypothese verwechselt der Autor hier allerdings die Zuordnungen: Bush steht für M, nicht Kerry.

Montag, Juli 12, 2004

Bidinotto: Schluss mit "libertär"
Lindsay Perigo berichtet auf solohq.com vom Sommerseminar des TOC in Vancouver. Auf der Podiumsdiskussion über Objektivismus und Libertarismus, an der auch Perigo selbst teilnahm, vertrat Robert Bidinotto die Auffassung, dass Objektivisten den Begriff "libertarian" aufgeben sollten, da er adaptiert wurde von LewRockwell.com und ähnlichen Websites, deren Mission darin besteht, Amerika anzugreifen und Anarchismus zu propagieren. Laut Perigo bezeichnete Bidinotto dieses Libertären als "Saddamite scum".
Libertäre Plattform vor der Gründung
Verschiedene Personen um die Zeitschrift ef-magazin planen die Gründung einer Libertären Plattform (LP) innerhalb der FDP und der Jungen Liberalen. Nach dem Scheitern des Parteiprojektes Die Freien soll damit erneut ein Versuch unternommen werden, auf der parteipolitischen Ebene eine Struktur radikalliberaler Kräfte zu organisieren. Da ich selbst nicht Mitglied der FDP bin und auch nicht werden möchte, stellt sich die Frage einer Beteiligung an der LP für mich auch nicht. Was Befürchtungen hinsichtlich der außenpolitischen Orientierung dieser parteiinternen Gruppierung angeht, teile ich diese. Ich befürchte in der Tat die Propagierung von Pazifismus und Nicht-Interventionismus als den zentralen Leitlinien der Außenpolitik. Dies wäre in Vergleich zu der offiziellen außenpolitischen Linie der FDP eine erhebliche Verschlechterung. Auch sehe ich nicht, dass die Gruppierung einen robusten Rechsstaat zur Verteidigung der Individualrechte vertreten könnte. Grundsätzlich halte es für problematisch durch parteipolitische Aktivitäten einen kulturellen Wandel befördern zu wollen. Die Politik folgt der Kultur, nicht umgekehrt. Wie ich schon auf diesem Blog mehrfach geschrieben hatte, gründen sich die politischen Ansichten eines Menschen auf tiefer liegende ethische oder philosphische Überzeugungen, die bei der Bewertung politischer Positionen und Parteien immer wieder die Oberhand gewinnen. Rationale Menschen sollten sich auf ihr eigenes Leben konzentrieren und wenn sich dann noch Zeit und Lust haben, möglicherweise versuchen, zu einem allgemeinen kulturellen Wandel beizutragen. "Die wirkliche Schlacht, die gewonnen werden muss", schreibt Stephen Speicher, "ist der intellektuelle Kampf im akademischen Bereich, und was wir brauchen, ist eine kleine, aber entschlossene Minderheit, ihn zu gewinnen."