Donnerstag, Juni 19, 2003

Mensch als Wort ohne Plural
Die erste organisierte Form libertärer Ideologie war Ayn Rands "Objektivismus". Ayn Rand, eine russische Jüdin, die in den 1920er Jahren in die USA emigrierte, begann dort als Drehbuchschreiberin, bis sie mit "The Fountainhead" (1943), einem Roman über einen an Frank Lloyd Wright angelehnten Architekten, und schließlich mit ihrem Hauptwerk "Atlas Shrugged" (1957) eine wachsende Anhängerschaft um sich sammeln konnte, die ihre Ansichten und Lebensgewohnheiten imitierte. In ihrer Ablehnung jeglichen staatlichen Eingriffs sprach die Mises-Verehrerin von den amerikanischen Regierungen bereits in den 1950er und 60er Jahren als "hated collectivist governments." Nixon sah sie lediglich als das "kleinere Übel" an. Reagan verachtete sie wegen seiner Haltung in der Abtreibungsfrage.


"'Mensch' ist ein Wort ohne Plural" lautete einer ihrer Slogans, mit denen sie die von ihr geschaffene "Philosophie" beschrieb. Diese Philosophie berief sich auf einen Aristotelischen Rationalismus, auf die Grundannahme, dass es eine objektive und für den Menschen erkennbare Realität gibt. Aus diesem "Rationalismus" wurde die Lehre vom Primat des menschlichen Eigennutzes, aus diesem wiederum die Ablehnung jeglichen kollektiven und damit auch staatlichen Eingriffs in die Rechte Einzelner entwickelt: "Ich bin nicht in erster Linie eine Fürsprecherin des Kapitalismus, sondern eine des Egoismus; und ich bin nicht in erster Linie eine Fürsprecherin des Egoismus, sondern der Vernunft" (17) fasste sie die Stufen ihrer Erkenntnisvorstellung zusammen. Ihre Botschaft verbreitete sie mit religiösem Eifer, als Symbol ihrer Bewegung wählte sie das Dollarzeichen, für sie das Symbol des freien Handels und damit des freien Menschen. (18)


17) zit. nach James T. Baker, Ayn Rand, Boston 1987, S. 96
18) Alvin Toffler, Ayn Rand. A Candid Interview with the Fountainhead of "Objectivism", in: "Playboy", März 1964, Chicago

Quelle: "Kapitalismus und Freiheit" von Peter Mühlbauer, heise.de

Anmerkung: Der Autor bringt Rand hier mit "libertärer" Ideologie in Zusammenhang. Rand verwarf allerdings sowohl das Wort "libertarian" als auch das das zusammenhängende Konzept. Auf der website des Ayn Rand Institute finden sich zwei Zitate, die Rands Aversion gegen die "libertarians" dokumentieren, u. a. auch ihre bekannte Bemerkung, dass es sich bei ihnen um die "Hippies der Rechten" handeln würde. In beiden Zitaten ist von Anarchismus in Zusammenhang mit der "libertarians" die Rede. Dies könnte man dahin gehend interpretieren, dass Rand zumindest die nicht-anarchistischen "libertarians" anders eingeschätzt hat.

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