Mythos Europäische Außenpolitik
Ralf Dahrendorf äußert sich in der Financial Times Deutschland über die Versuche, Europa als Gegengewicht zu den USA zu etablieren:
"Meiner Ansicht nach wird es nie zu einem Europa kommen, das als Gegengewicht zu den USA gestaltet ist - und dazu sollte es auch nicht kommen. (...)
Bei Europa geht es nicht um irgendeine vage Vorstellung von Vereinigung. Es geht darum, innerhalb seiner immer größer werdenden Grenzen westliche Werte und die Verfassung der Freiheit zu erhalten und diese überall auf der Welt zu unterstützen. Mit der notwendigen Anpassung an kulturelle Traditionen sind diese Prinzipien überall anwendbar. Herrschaft des Rechts etwa muss die Herrschaft weltlichen Rechts sein, das vom Volk und nicht von Hohepriestern irgendeiner Glaubensrichtung geschaffen und geändert wird. Dies sind westliche Werte, die Europa, die USA und bedeutende Länder in anderen Teilen der Welt verbinden."
Anmerkung: Vertritt Dahrendorf wirklich die Auffassung, dass "demokratisches" Recht ("durch das Volk geschaffen und geändert") per se gutes Recht ist? Ist das von der Mehrheit beschlossene Recht besser als das Recht, das geradewegs aus der Bibel oder dem Koran abgeleitet wurde? Wenn zwei Leute auf einer einsamen Insel "demokratisch" beschließen, den Dritten zu verspeisen, ist dies die Herrschaft des Rechts, die Dahrendorf vorschwebt? Herrschaft des Rechts kann nur bedeuten: Was auch immer das Volk wünscht, die gesetzgebende Versammlung darf kein Gesetz verabschieden, was die Rechte des Individuums verletzt.
Was das Verhältnis zwischen Europa und Amerika angeht, hat Dahrendorf sicherlich Recht, dass es bei Ländern, die die gleichen, westlichen Werte verkörpern, zu keinem außenpolitisch Gegensatz kommen sollte (besser: kann). Nur: Vertreten Europa und Amerika tatsächlich die gleichen Werte? Dahrendorf nennt Amerika ausdrücklich das Land der "angewandten Aufklärung". Diesen Terminus verwendet er für Europa nicht.
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