Der Moralimus des Zynikers
Der liberale Publizist Richard Herzinger fordert in Die Zeit dazu auf, die Fortschritte bei der Entwicklung des zivilen Lebens im Irak zur Kenntnis zu nehmen:
"Es ist hierzulande kaum vermerkt worden, was es bedeutet, dass der erste Beschluss dieses Rates lautete, den 9. April - den Tag der Befreiung Bagdads durch die Amerikaner - zum Nationalfeiertag zu erklären. Zum Vergleich: Wie lange hat es gedauert, bis der deutsche Bundespräsident es riskieren konnte, den 8. Mai 1945 in einer öffentlichen Rede als "Tag der Befreiung" zu bezeichnen! Es war im Jahre 1986, 41 Jahre nach Kriegsende.
Nicht zuletzt durch eine selektive Berichterstattung in manchen Massenmedien, hat sich in weiten Teilen der deutschen Öffentlichkeit der Eindruck festgesetzt, die Anschläge gegen US-Soldaten und die Sabotageaktion gegen Pipelines und Elektrizitätswerke erfreuten sich eines breiten Rückhalts in der irakischen Bevölkerung. Das genaue Gegenteil ist der Fall.
Keine Frage, die Verbesserungen der Lage im Irak geht schleppend und mit vielen Rückschlägen voran, und es wurden und werden von amerikanischer Seite gewiss viele Fehler gemacht. Ist das aber ein Grund, zu ignorieren, dass sich die Iraker zum ersten Mal seit Menschengedenken frei von der Verfolgung durch eine Geheimpolizei fühlen können, wenn sie eine nicht genehme Meinung äußern, dass sie Presse- und Versammlungsfreiheit genießen? Dass im Irak bei allen Schwierigkeiten ein grandioses, in der arabischen Welt kaum je dagewesenes Experiment des Neuaufbaus einer Gesellschaft in Freiheit beginnt, dessen Ausgang offen ist, das sicherlich auch furchtbar schief gehen kann, das aber gerade deshalb die positive Einmischung und Unterstützung aller freiheitsliebenden Nationen und Organisationen erfordert? Es hat sich für den Nahen Osten ein historisches Fenster geöffnet, und diese Öffnung muss jetzt genutzt werden."
Anmerkung: Die Fehler auf amerikanischer Seite, die Herzinger anspricht, sind sicherlich gemacht worden. Sie gehen vorwiegend auf das Konto solcher Institutionen wie das Außenministerium und die CIA. So wurde zum Beispiel die Säuberung des Staatsapparates von Kräften der Baath-Partei zu lasch vorgenommen. Das Außenministerium hatte im Gegensatz um Pentagon auf einer Strategie der "politischen Enthauptung" bestanden, d. h. die "Entnazifizierung" sollte sich nur auf die Spitze der ehemaligen Staatspartei beziehen. Richtig ist, dass Herzinger auf die Bedeutung dieses sozialen Experiments für alle freiheitsliebenden Kräfte auf der Welt hinweist. Auch die ehemaliger Kriegsgegner, sofern sie freiheitsliebend sind, müssen den Erfolg dieses Experiments wünschen. Jedes freie Land, das wir neu in der Familie der freien Länder begrüßen können, ist ein großer Gewinn für die schon freien Länder. Und erst recht in einer Region auf der Welt, die das Zentrum des anti-westlichen Nihilismus verkörpert.
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