Samstag, September 06, 2003

Liberale und Konservative in Amerika - gemeinsam oder getrennt?
Wenig überraschend mutet es an, wenn nach einer längeren Zeit, wo die zentralen politischen Institutionen Amerikas von Konservativen beherrscht wurden, die Spannungen zwischen Liberalen ("libertarians") und Konservativen zunehmen. Jedenfalls zu den Konservativen, die die Regierung bilden oder sich mit ihr identifizieren.

W. James Antle III sieht auf techcentralstation.com ein Auseinanderbrechen der politischen Koalition, die die amerikanische Rechte für mehr als die Hälfte eines Jahrhunderts gebildet hat. So zitiert Antle etwa R. W. Bradford, den Herausgeber des Liberty Magazins, der eine liberal-konservative Scheidung fordert. Auch Julian Sanchez sieht ein Schisma auf der Rechten: "Während es so scheint, dass Konservativen ihren Frieden gemacht haben mit dem Wachstum des Staates, schmieden die Libertarians an ihrer eigenen Identität außerhalb der Rechten, was auch strategische Allianzen mit der Linken einschließt." Ein Teil des konservativen Lager teilt allerdings durchaus die liberalen Vorbehalte gegenüber der Bush-Administration. So äußert sich Herbert London, Präsident des Hudson Institute, sehr ernüchtert über die Regierungspolitik von George W. Bush: "Ich bin ein Bewunderer des Präsidenten für sein Engagement im Krieg gegen den Terrorismus, aber er ist kein Unterstützer eines begrenzten Staates, kein Freund freier Märkte oder fiskalischer Beschränkung."

Wer Ayn Rands Zitat ("Wir sind keine Konservativen ...") auf diesem Blog betrachtet, wird allerdings unschwer erkennen, dass von einer liberal-konservativen Ehe, die jetzt geschieden werden könnte, auch für die Vergangenheit nicht so ohne weiteres geredet werden kann. Und diese Aussage läßt sich keineswegs nur auf Objektivisten begrenzen. So sieht sich etwa Harry Browne, der ehemalige Präsidentschaftskandidat der Libertarian Party keineswegs als "Rechter" und pocht auf Äquidistanz zu beiden großen politischen Lagern in den USA. Der Begriff "libertarian" ist seit etwa Mitte des 20. Jahrhunderts in den USA in Gebrauch, weil sich Etatisten des Begriffes "liberal" bemächtigt hatten und die Vertreter des Klassischen Liberalismus sich der Notwendigkeit aussgesetzt sahen, sich terminologisch von diesen Tendenzen abzugrenzen. Seit der Gründung der Libertarian Party 1971 erfreut sich der Begriff zunehmender Beliebtheit.

Das auch in Deutschland der Begriff "liberal" sich dem Zugriff offener Etatisten nur mit Mühe entziehen konnte, macht die Entwicklung der FDP in den siebziger Jahren mit den "Freiburger Thesen" von 1971 deutlich und vor allem zugespitzt eine Bemerkung ihres früheren Generalsekretärs Karl-Herrmann Flach: "Die Auffassung, dass Liberalimus und Privateigentum an Produktionsmitteln in jedem Fall identisch seien, gehört zu den Grundirrtümern der jüngsten Geschichte".

Objektivisten besitzen dadurch, dass sie sich als Vertreter einer philosophischen Strömung verstehen und auch durch die Person der Gründerin des Objektivismus eine starke Identität, die sie für Vereinnahmungen durch irgendwelche Lager relativ immun macht. Insbesondere das Ayn Rand Institute hält größte Distanz sowohl zu Konservativen als auch zu Liberalen. Anders ist allerdings das Objectivist Center (TOC) gestrickt, wo durchaus ein positiver Bezug zum liberalen Lager vorhanden ist.

Radikale Liberale, die sich Bündnispartner auf der Linken gesucht haben, sind auch kein neues Phänomen der amerikanischen Geschichte, man denke etwa an Murray Rothbard zu den Zeiten des Vietnam-Krieges. Antle verweist auch darauf, dass solche Koalitionen kurzfristige Ereignisse waren. Aktuell finden wir etwa einige Liberale, die überlegen, den Demokraten Howard Dean bei seinem Bemühen um eine Präsidentschaft zu unterstützen.

Antle nennt auch die politischen Reibungspunkte zwischen Liberalen und Konservativen, aber eben teilweise auch innerhalb der beiden Lager. Hierzu gehört sicherlich der Dauerbrenner Abtreibung, wo die meisten Liberalen eine Entscheidungsfreiheit der Frau präferieren. Das Klonen von Menschen und vor allem die sog. Homo-Ehe sind umstrittene Themen aktuelleren Datums. Die Konservativen lehnen die gleichgeschlechtliche Ehe mit Vehemenz ab, während die meisten Liberalen sie befürworten oder für eine Abschaffung der staatlich sanktionierten Ehe insgesamt eintreten. Der Irak-Krieg ist auch innerhalb der beiden Lager leidenschaftlich diskutiert worden, wobei die meisten Konservativen Präsident Bush unterstützten, die meisten Liberalen allerdings den Krieg ablehnten. Wer sich das Teilsegment der Objektivisten ansieht, muss allerdings dort eine Mehrheit für den Irak-Krieg vermuten. Das Ayn Rand Institute etwa gehörte zu den besonders deutlichen Befürwortern einer militärischen Kampagne gegen das Regime von Saddam Hussein.

Neben der Enttäuschung über die konservative Regierungsmehrheit in den USA, die wenig Anstalten in Richtung eines kleineren Staates macht und einer gewissen Dominanz von kulturellen Themen, die zwischen Liberalen und Konservativen umstritten sind, dürfte auch die Situation der Linken eine Rolle spielen, die von den Liberalen als derzeit wenig gefährlich für das Privateigentum angesehen wird und deshalb möglicherweise von einigen Liberalen als zeitweiliger Bündnispartner angesehen werden könnte.

Aber man es drehen und wenden wie man will, der amerikanische Konservatismus besitzt eine große individualistische Komponente, der überhaupt erst die Grundlage für eine Diskussion über Gemeinsamkeiten schafft. Viele Amerikaner, die sich als Konservative verstehen, könnten durchaus als Liberale im europäischen Sinn durchgehen. Ayn Rand selbst hatte diese in einem Interview aus dem Jahr 1964 auch eingeräumt. Auf die Frage, ob es "Konservative" gebe, die rationale Rechtfertigung für die Kapitalismus lieferten, sagte sie:
"Oh ja, die gibt es. Gewöhnlich nennt man sie Liberale ("libertarians"). Dies ist eine Gruppe, welche zum Beispiel Ludwig von Mises und Henry Hazlitt als ihre besten Exponenten einschließt. Sie sind Verteidiger des Kapitalismus auf einer nicht-mystischen, wissenschaftlichen Basis."

Keine Kommentare: