Samstag, September 27, 2003

Das Böse
"Die Seele, Peter, die Seele läßt sich nicht beherrschen; die muß gebrochen werden. Treibe einen Keil in sie, lege deine Hand darauf - und der Mensch ist dein. ... Es gibt viele Wege. Dies ist einer: mache daß der Mensch sich klein fühlt. Daß er sich schuldig fühlt. Töte sein Streben ab und zerstöre seine Integrität, ... Benutze die Integrität gegen sich selbst. Gib ihr ein Ziel, das auf die Zerstörung jeglicher Integrität hinausläuft. Predige Selbstlosigkeit. Sage den Menschen, sie müssen für andere Menschen leben. Keiner ist ihm je nachgekommen, keiner wird es je erfüllen. Denn was an Lebenstrieb in ihnen ist, sträubt sich dagegen. ... Der Mensch sieht ein, er sei unfähig zu dem, was er als edelste Tugend angenommen hat - und das verleiht ihm ein Gefühl von Schuld, von Sünde, von angeborenem Unwert. Und da das höchste Ideal außerhalb seiner Reichweite liegt, so gibt er schließlich alle Ideale auf, jedes Streben und jeden Glauben an den eigenen Wert. ... Seine Seele gibt ihre Selbstachtung auf - und dann hast Du ihn. Er ist dein. Er gehorcht. ...

Hier ist ein anderer [Weg]: Töte das Werteverständnis des Menschen. Vernichte seine Fähigkeit, Größe zu erkennen oder gar zu erreichen. Große Menschen kann man nicht beherrschen. Darum können wir keine großen Menschen brauchen. Doch niemals den Begriff der Größe leugnen; nur ihn von innen her zerstören ! Das Große ist das Seltene, das Schwierige, das Ausnahmsweise. Darum stelle Leistungsmaßstäbe auf, die alle Menschen erfüllen können, auch die letzten, auch die unbegabtesten - damit hemmst Du bei allen Menschen ... die Triebkraft. Du hemmst jeden Ansporn zu Besserung, zu Auszeichnung, zu Vervollkommnung. ... , stelle die Mittelmäßigkeit auf den Altar - und die Heiligtümer sind weggefegt.

Dann gibt es noch einen dritten Weg: Töte durch Gelächter. Lachen ist ein Werkzeug der menschlichen Freude. Lerne es als Werkzeug der Zerstörung zu benutzen. ... Sage ihnen, sie sollen über alles lachen. Nur nichts unantastbar Heiliges in der Menschenseele lassen - dann wird ihm seine Seele nicht mehr heilig sein. Töte die Ehrfurcht ab, und du hast den Helden im Menschen getötet. ...

Hier ein weiterer Weg: Erlaube den Menschen nicht, glücklich zu sein. Glück ist etwas in sich selbst Geschlossenes, Glück ist etwas sich selbst Genügendes. ... Glückliche Menschen sind freie Menschen. Töte also ihre Freude am Leben ab. Nimm ihnen weg, was ihnen teuer oder wichtig ist. Gib ihnen nie, was sie wollen und brauchen. Lasse sie fühlen, daß allein die Tatsache eines persönlichen Wunsches vom Übel ist. Versetze sie in einen Zustand, in dem 'Ich will dies, ich will jenes' zu sagen, kein natürliches Recht mehr ist, sondern ein beschämendes Eingeständnis. ... Die Natur erlaubt kein Vakuum. Entleere des Menschen Seele - und es ist dir überlassen, wie du den Hohlraum füllen willst. ...

Sehen sie sich alle großen ethischen Systeme an. ... Predigen sie nicht alle den Verzicht auf persönliche Freude ? Was kommt ... als Leitmotiv zutage: Opfer, Verzicht, Selbstverleugnung. ... Alles, was Freude macht, von den Zigaretten bis zur Sexualität, vom Anreiz der Ambition bis zu dem des Profits, wird als verderbt oder sündig betrachtet. Weisen sie bloß nach, irgendetwas mache den Menschen glücklich - und sie haben es auch schon der Verdammung ausgeliefert. ... Wir haben Glück an Schuld geknüpft. ...

Der Mensch verfügt ja über eine Waffe: Verstand. Vernunft. Man muß es sich also vor allem angelegen sein lassen, ihm die zu nehmen. ... [Aber] nicht alles gänzlich ableugnen. ... Nicht sagen: Vernunft ist ein Übel, das Böse an sich - ... Man braucht bloß zu sagen: die Vernunft hat ihre Grenzen. Es gibt etwas, was über ihr steht. Was ? ... 'Trieb', 'Gefühl', 'Offenbarung', 'göttliche Eingebung' , 'Intuition', 'Dialektischer Materialismus'."

(aus "The Fountainhead" von Ayn Rand)





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