Sonntag, Mai 11, 2003

Pflicht macht das Leben zur Hölle
Es gibt zwei grundsätzlich verschiedene Motive, aus denen heraus ein Mensch eine Handlung ausführen kann: Kausalität und Pflicht.
"Die Bedeutung des Ausdrucks 'Pflicht' ist: ... Notwendigkeit, eine Handlung aus keinem anderen Grund auszuführen als dem, einer höheren Autorität zu gehorchen; unberücksichtigt bleiben dabei alle persönlichen Ziele, Motive, Wünsche oder Interessen." (Ayn Rand)
D.h. ausgeschlossen ist jedes Eigeninteresse.
Kausalität bedeutet hier, daß die Handlung nicht aus Gehorsam gegenüber einer höheren Autorität ausgeführt wird, sondern um ein Ziel in der Realität zu erreichen, das man sich gesteckt hat. Wenn man ein bestimmtes Ziel erreichen will, dann muß die Handlung ausgeführt werden.

Jetzt könnte jemand einwenden, die pflichtorientierte Person hätte sich eben das Ziel gesteckt, der höheren Autorität zu gehorchen. Doch worin besteht diese höhere Autorität ? Wenn die Autorität etwas aus der Realität ist (z.B. eine Person), dann stellt sich die Frage: warum soll man dieser Autorität gehorchen, wenn alle persönlichen Ziele, Motive, Wünsche oder Interessen unberücksichtigt bleiben sollen ? Es gibt aber einfach keinen vernünftigen Grund, einer solchen Person oder Personengruppe derart bedingungslos und selbstlos zu gehorchen. Ist die Autorität etwas angeblich Übernatürliches (z.B. ein "göttliches Wesen"), dann liegt das Ziel nicht in der Realität. Warum steckt sich jemand das Ziel, einer solchen höheren Autorität zu gehorchen ? (Eigeninteresse haben wir ausgeschlossen, z.B. eine Belohnung im "Jenseits".)

Wenn kein Eigeninteresse vorhanden sein soll, dann ist die einzige Motivation, die für die Realität bedeutsam ist: Pflicht um der Pflicht willen, aus keinem anderen Grund heraus. Ayn Rand zeigt die Folgen, wenn man Pflicht um der Pflicht willen als Handlungs-Motivation akzeptiert: "Wenn man das akzeptieren würde, dann würde ... 'Pflicht' den Begriff 'Realität' zerstören: eine unerklärliche, übernatürliche Macht übernimmt den Vorrang vor Tatsachen und diktiert Handlungen, ohne Rücksicht auf Kontext oder Konsequenzen. 'Pflicht' zerstört Vernunft: [Pflicht] übersteigt eigenes Wissen und Urteil und macht damit den Vorgang des Denkens und Urteilens irrelevant für das eigene Handeln. 'Pflicht' zerstört Werte: sie fordert, daß man seine höchsten Werte wegen einem unerklärlichen Befehl verrät oder opfert - und sie transformiert Werte in eine Bedrohung für den eigenen ... Wert, weil das Empfinden von Genuß oder Lust einen Zweifel auf die ... Reinheit der eigenen Motive wirft. 'Pflicht' zerstört Liebe: wer will schon aus 'Pflicht' heraus, und nicht aus 'Zuneigung', geliebt werden ? 'Pflicht' zerstört Selbstbewußtsein: sie hinterläßt kein "Selbst", das man mögen könnte."

Wenn ein pflichtorientierter Mensch Schwierigkeiten bei der Pflichterfüllung hat, dann konzentriert er sich nicht auf sein Ziel, sondern auf seinen Charakter. "Seine automatische Reaktion sind Schuldgefühle und Furcht - Furcht davor, seine 'Pflicht' nicht zu erfüllen." "Der Wert seines Ziels verschwindet aus seinem Gedächtnis, ertränkt in einer Flut von Selbstzweifeln. Eine Weile kann er auf diese trübsinnige Weise weitermachen; aber nicht lange. Ein pflichtorientierter Mensch ... unternimmt selten wichtige Ziele: sie sind eine Bedrohung für sein Selbstbewußtsein." Er " ... kann es sich nicht erlauben, irgendetwas wirklich zu schätzen, weil jeden Moment eine unerklärliche 'Pflicht' die Aufopferung seiner Werte fordern könnte, und jeden langfristigen Plan oder Anstrengung auslöschen würde, deren Erreichen er sich vorgenommen hätte."

Pflicht um der Pflicht willen zerstört alles, was einem Menschen am Leben lieb sein könnte.

Zitate aus dem Aufsatz "Causality versus Duty" von Ayn Rand, in: "The Objectivist", Juli 1970

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