Freitag, April 23, 2004

Die Zeichen des Kapitalismus im Irak
Daniel Pipes fordert in einem Artikel für die New York Sun den Rückzug der amerikanischen Besatzungstruppen aus den großen Städten des Irak und schließlich aus dem gesamten Land. Vor allem zwei Faktoren sind es, die Pipes für den anti-amerikanischen Terror im Land verantwortlich macht: Zunächst seien die Iraker anders als die Deutschen und Japaner am Ende des 2. Weltkrieges nicht militärisch geschlagen worden, sondern hätten sich befreit gefühlt. Außerdem seien sie als Moslems nicht bereit, sich von Nicht-Moslems beherrschen zu lassen: "Für Muslime ist die Beherrschung durch einen Nicht-Muslim eine Abscheulichkeit, eine blasphemische Verdrehung von Gottes Erlass." Pipes unternimmt dann einen Streifzug durch die Geschichte, um seinen Lesern zu zeigen, wie eindrucksvoll sich die Moslems allen Beherrschungsversuchen von Nicht-Moslems widersetzten. Worauf Daniel Pipes allerdings nicht eingeht, ist die konkrete Situation im Irak des Jahres 2004. Wer sich die Ausführungen von Pipes nur mit den Fernsehbildern dieser Tage aus dem Irak ergänzt, kann ihnen eine gewisse Logik und Konsistenz nicht absprechen, wenn auch die Vorstellung, dass das Gefühl der Befreiung nicht in eine Dankbarkeit, sondern in einen Hass auf den Befreier mündet, doch etwas seltsam wirkt. Aber wollen "die Iraker" tatsächlich eine amerikanische "Beherrschung" abschütteln? Jüngste Meinungsumfragen aus dem Irak belegen dies nicht. Pipes Analyse steht auch in einem augenfälligen Kontrast zu den Schilderungen, die Robert Alt vom John M. Ashbrook Center for Public Affairs an der Ashland University auf nationalreview.com über die Situation im Irak macht, den er zur Zeit für vier Monate besucht. Alt schreibt über die Aufregung und Freude der Iraker, wenn sie erfahren, dass er aus Amerika sei. Sofort wird gefragt, aus welcher Gegend Amerikas er denn komme und immer wieder gebe aus den Ausruf: "I love America." Ohne dazu ermuntert worden zu sein, erzählen ihm dann seine irakischen Gesprächspartner von ihrem schlimmen Leben unter Saddam Hussein. Alt beobachtete nicht nur eine allgemeine Verbreitung von westlichen Produkten, sondern auch eine starke Verbreitung westlicher Kultur, augenfällig besonders bei der Bekleidung. Vor allem junge Frauen verzichten auf das traditionelle irakische Gewand zugunsten von stärker figurbetonter Bekleidung. "Überall in Bagdad", schreibt Alt, "sieht man Zeichen des Kapitalismus." Und er schreibt darüber, wie weit dieses Land doch in nur einem Jahr auf der Straße der Freiheit und des Kapitalismus vorangekommen sei. Ein bißchen mehr Optimismus, Mr. Pipes!

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