Donnerstag, Juli 24, 2003

Wer ist hier wahnsinnig?
Roland Baader schreibt auf www.neue-nachricht.de:
"In Wirklichkeit ist der reine Altruismus - als axiomatische
Forderung an ein Gesellschaftsmodell - eine Utopie; und sein
diesbezügliches Gegenteil, der reine Egoismus (den man der
Marktwirtschaft unterstellt), ein ideologischer Wahn."

Anmerkung aus der Redaktion:
"Rationale Selbstsucht ist alles andere als ein Wahn, sie ist schiere Notwendigkeit. Ein Wahn hingegen ist die angebliche Möglichkeit eines vollkommen selbstlosen Altruismus, bei dem eigene Interessen keinerlei Rolle spielen."

Es ist wirklich erstaunlich, dass Baader hier den Begriff "Wahn" in Bezug auf Egoismus verwendet, was er sonst -berechtigterweise- wohl nur in Bezug auf radikal etatistische Systeme tun würde. Es sind eben jene Systeme, die allesamt auf einer altruistischen Ethik beruhen. Die Sowjetunion war die ultimative Verkörperung der altruistischen Ethik in der Praxis. Für Rand war Egoismus oder Selbstsucht eine Tugend, die sie als "sich um seine eigenen Interessen kümmern" definierte. Ein selbstsüchtiger Mensch sollte der alleinige Nutznießer seiner moralischen Handlungen sein. Der Begriff "Interesse" ist allerdings nicht identisch mit dem, was Menschen sich wünschen. "Die bloße Tatsache", schreibt Rand, "dass sich ein Mensch etwas wünscht, konstituiert weder einen Beweis, dass das Objekt seiner Begierde auch gut ist, noch dass die Erfüllung des Wunsches auch tatsächlich in seinem Interesse liegt."

Rands Begriff von Egoismus kontrastiert natürlich deutlich mit dessen Alltagsverständnis, das eine skrupellose Rücksichtslosigkeit beschreibt.
Wer sich die egoistischen Helden aus Rands Romanen vor Augen führt, wird den Unterschied zwischen beiden Varianten von Egoismus recht schnell erkennen können. Es sind Menschen, die sich nicht opfern wollen, die aber auch nicht erwarten, dass andere sich für sie aufopfern. Rand konnte sie zu Romanhelden machen, weil entgegen der landläufigen Meinung, Egoismus eine seltene Stärke ist.
Dies bedeutet nicht, dass sie gleichgültig gegenüber allen anderen Menschen sind, dass das menschliche Leben ohne Wert für sie ist oder dass sie keine Gründe dafür haben, anderen Menschen in Notlagen zu helfen. Es bedeutet lediglich, dass die Linderung der Leiden von anderen Menschen nicht ihr primäres Anliegen ist, dass jede Hilfe, die sie geben, eine Ausnahme, und nicht die Regel, ist.

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