Mittwoch, April 05, 2006

Mao: die unbekannte Geschichte
Edwin A. Locke hat gerade die Lektüre von "Mao. Das Leben eines Mannes, die Geschichte eines Volkes" von Jung Chang und Jon Halliday beendet. Locke hält ihn für das größte Monster in der Weltgeschichte, weil er die Vorstellung und die Akte des Folterns, Tötens und Zerstörens genießen konnte, weil sie nicht nur Mittel zum Machtgewinn und -erhalt waren, sondern eigenen Wert für ihn hatten. Menschen, die er für "Feinde" hielt, einfach zu erschießen, erschien ihm zu zahm, deshalb mußten sie zu Tode geprügelt werden, wovon er Filmaufnahmen machen ließ, die er mit Genuß anschaute. Das Buch enthält auch Hinweise auf das skandalöse Verhalten westlicher Politiker wie Nixon oder Kissinger, die Mao praktisch die Füße küßten. Uli Kulke berichtete in der WELT in einer Besprechung des Buches von Jung Cang und Jon Halliday über den Nixon-Besuch 1972 in China: "Er (Mao) und Chou wechselten sich während der Unterredung mit ihren Vorwürfen gegen die US-Politik ab, Nixon aber lobte Mao als großen Philosophen, der die Welt beeindrucke. Alles nur übersetzt von Maos Dolmetscher, die Gegenwart von Nixons eigenem hatte sich der Parteichef verbeten. Mao bot keine Kompromisse. Nixon aber sagte unter anderem zu: den US-Verbündeten Taiwan fallen zu lassen, Peking anzuerkennen und dafür zu sorgen, daß Rotchina in die UN und gleich in den Sicherheitsrat käme, außerdem wolle man die US-Truppen aus Südvietnam und auch Südkorea abziehen. Brisantes Geheimdienstmaterial über die Sowjetunion und ihre Truppen, Maos Hauptfeind, hatte Washington schon vor dem Besuch freimütig an Peking abgeschickt.


Nixon wollte China, koste es was es wolle, als Gegengewicht zu Moskau aufbauen. Und so waren das kommunistische China und Mao viereinhalb Jahre vor dessen Tod endgültig in der Weltpolitik etabliert, aufgewertet, akzeptiert. Etwa so wie Hitler nach dem Besuch des britischen Premiers Chamberlain auf dem Obersalzberg, dem Meilenstein der Appeasementpolitik?


Womöglich. Einen entscheidenden Unterschied zwischen beiden historischen Meilensteinen gibt es schon, einen, der den westlichen Diplomaten und Politikern später wachsende Gewissensplagen erspart haben mag, der aber ihr Vorgehen - aus heutiger Sicht - eher noch fragwürdiger machte. Sie wußten genau, mit wem sie sprachen. Hitler hatte 1938 seine barbarischsten Akte noch vor sich, Mao dagegen die allermeisten seiner vielen Millionen Todesopfer schon auf dem Gewissen, als ihn Nixon und Kissinger 1972 im Westen salonfähig machten."

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