Freitag, November 26, 2004

Das Ende der Fahnenstange
Was haben Rudi Völler, seines Zeichens ehemaliger Teamchef der deutschen Fussballnationalmanschaft, und die liberale Zeitschrift ef-magazin gemeinsam: Wenn man denkt, sie haben einen Tiefpunkt erreicht, wird man sofort eines Besseren belehrt und es folgt ein weiterer...Tiefpunkt. Im vorletzten Heft nervte die Zeitschrift mit einem seitenlangen Interview mit dem NPD-Vorsitzenden Voigt, wo dieser auch sehr deutlich machen konnte, dass er den "Neoliberalismus" sehr wohl als seinen Hauptfeind ansieht. Das Interview sollte selbstverständlich nur der Information dienen, was man mit analytischen Artikel, eventuell vorbereitet durch ein Hintergrundgespräch mit dem NPD-Chef, weitaus besser hätte bewerkstelligen können. Dass diese seltsame Auswahl bei den Gesprächspartnern kein einmaliger Ausrutscher war, sondern bewußte Politik des Herausgebers ist, müssen wir leider nun in der neuesten Ausgabe feststellen. Wiederum werden Interviewpartner präsentiert, die eines gemeinsam haben: sie haben absolut nichts mit dem Liberalismus zu tun. Der wären zum Beispiel zwei Vertreter der Familien-Partei, die bei zwei Landtagswahlen immerhin 3,0 und 2,6 % der Stimmen erzielen konnten, und uns die wichtige Information vermitteln, dass sie demnächst mit der ÖDP fusionieren wollen - einer weiteren Kleinpartei. Die beiden Parteivertreter präsentieren in ihren Antworten nichts als Mainstream, den jeder x-beliebige CDU-Funktionär auch hätte vertreten können, mit dem Unterschied allerdings, dass dieser sich in einer Partei mit Einfluss befindet, von dem diese beiden Familienparteiler meilenweit entfernt sind. Diese Fixierung auf deutsche Kleinparteien ist für den ef-Herausgeber Andre Lichtschlag durchaus typisch. Sie dürfte dem Irrglauben entspringen, dass für einen kulturellen Wandel Änderungen innerhalb des Parteiensystems das entscheidende Vehikel sind, wobei allerdings übersehen wird, dass politische Veränderungen nur das letzte Glied in der Kette der Veränderungen sind, die viel tief gehenderen philosophischen und ethischen Einstellungen nachfolgen. Wenn die CDU zerfiele und ihr einige andere Parteien nachfolgen würden, darunter möglicherweise auch einige von den heutigen Kleinparteien, wäre damit politisch überhaupt nichts gewonnen, sondern wir würden nur mit neuen Namen und Figuren "the same procedure as every year" erleben. Ergo: Die Beschäftigung mit Kleinparteien ist Verschwendung von Zeit, Mühe und Druckerschwärze. Herr Lichtschlag hat sich allerdings auch in dieser Ausgabe nicht mit den vergleichsweise langweiligen Vertretern einer unbedeutenden Kleinpartei zufrieden gegeben, sondern befriedigt auch wieder sein Interesse -möglicherweise auch das sein Leser- an gnadenlosen Kollektivisten. Diesmal ist er allerdings auf der äußersten Linken fündigt geworden: Ralf Fischer, Mitglied einer "linkskommunistischen Gruppe". Dieser junge Mann zeigt zwar bei einigen konkreten Problemstellungen ein gewisses Maß an Realitätssinn, etwa wenn er von den "islamistischen Schlächtern" spricht, zeigt aber bei seinen mehr abstrakten Äußerungen einen gefährlichen realitätsblinden Utopismus, was eine Herrschaft seiner Glaubensgenossen als ebensowenig verlockend erscheinen läßt wie die der nationalistischen Truppen. Abgesehen von den mehr als kuriosen Interviews, finden sich auch einige Aufsätze, diesmal schwerpunktmäßig zum Thema "Christentum und Freiheit". Bereits der die Titelseite läßt erahnen, mit welcher Tendenz hier argumentiert wird: "War Jesus Kapitalist? Oder war er gar ein Anarchist?" Bisher hatte ich den charismatischen, herumwandernden Prediger für einen ausgemachten Altruisten und Pazifisten gehalten, aber bin natürlich dankbar für jede Erweiterung meines intellektuellen Horizonts, oder sollte Andre Lichtschlag die Titelseite seines Satiremagazins Gustloff versehentlich auf das ef-magazin gesetzt haben? Nun ist natürlich legitim, wenn der Herausgeber einer kleinen Zeitschrift diese als Möglichkeit ansieht, seine persönlichen Launen zu verwirklichen, aber er sollte sich dann nicht wundern, wenn er dies irgendwann ohne Leser tun muss.




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