Die Wahrheit über New Orleans
Jordan Mejias berichtet für die Frankfurter Allgemeine Zeitung aus New Orleans, dessen den Tourismus förderndes Image sich angesichts der erschreckenden Bilder von Plünderungen und Gewalt aufzulösen beginnt. Interessant ist, dass der Autor eine direkte Linie zieht zwischen Elend und Verrohung, wo uns doch die Religionen dieser Welt predigen, dass Reichtum den Menschen verdirbt. Auch sieht er bei den Plünderern "niedere Instinkte" wirken, als wenn es sich um Tiere handeln würde und nicht um Menschen mit einem freien Willen. Auch die berechtigte Frage, warum so viele Menschen trotz der bekannten Gefahr einfach in New Orleans verweilten, erklärt der Autor einfach mit der materiellen Lage der Betroffenen, als würde diese Menschen nicht nur Geld fehlen, sondern auch Freunde und Bekannte. Uwe Schmitt sieht in seinem Bericht aus New Orleans nicht nur einen Mangel an Geld bei denen, die die Stadt nicht verließen: "Als es Zeit war, vor 'Katrina' zu fliehen, fuhren die einen in früh gebuchte Hotels, die anderen hatten weder Geld, Transportmittel noch Initiative, sich zu retten. Nach uns die Sintflut, meinten beide Lager. Dann ertrank das eine. "
Wenige Reisende ahnten, daß manch einem von ihnen Abenteuer bevorstanden, wie sie nur ein sozialer Hexenkessel zu bieten hat. New Orleans war und ist nun erst recht eine bitterarme Stadt, mit Arbeitslosenquoten und Verbrechensraten, die weit über dem amerikanischen Durchschnitt liegen. Davon erfuhren die Gäste manchmal erst in ihren Hotelburgen, wo es an Broschüren zum angemessenen Verhalten drinnen im Zimmer und draußen vor der Tür nie fehlte. Diese dunkle Seite von New Orleans kommt jetzt aber auch in der Katastrophe zum Vorschein. Daß zwanzig Prozent der Einwohner während des Hurrikans in der Stadt blieben, obwohl sie aufgefordert waren, ihre Wohnungen zu verlassen, hat nicht zuletzt etwas mit ihrer finanziellen Lage zu tun. Wohin begibt sich ein Slumbewohner, wenn er kein Auto hat und auch kein Geld, eine Busfahrt in die Sicherheit oder ein Hotelzimmer an geschütztem Ort zu bezahlen? Noch dramatischer schlagen sich das Elend und die begleitende Verrohung in Plünderungen nieder, die längst nicht mehr als Nothandlungen hungriger und durstiger Bürger zu entschuldigen sind.
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