Donnerstag, Januar 01, 2004

Der Irrtum der Irrtumsentlarver
Das Buch Das neue Lexikon der populären Irrtümer von Walter Krämer, Götz Trenkler und Denis Krämer ist ein durchaus empfehlenswerter Lesestoff, weil es kurzweilig und spannend mit einiger populären Irrtümern aufräumt. Die Autoren sind definitiv nicht links und geben auch auf "politische Korrektheit" nicht besonders viel, was ihnen bei ihrer Arbeit sicherlich außerordentlich geholfen haben dürfte. Ärgerlich ist allenfalls die übergroße Nachsicht, die die Autoren dem Christentum entgegenbringen, wie man an Bemerkungen zu den Themen "Kreuzzüge" und "Inquisition" ablesen kann. Die größte Fehlleistung gelingt den Autoren allerdings bei ihrem Kommentar zum Thema "Anarchie", wo sie das scheinbare Vorurteil "Anarchie bedeutet Unfrieden und Durcheinander" widerlegen wollen. Dies versuchen sie folgendermaßen: "Anarchismus hatte ursprünglich mit Chaos, 'Anarchie' und Durcheinander nichts zu tun. Die ersten Anarchisten wollten die Menschen zu einem gewalt- und herrschaftslosen Miteinander führen, dazu forderten sie schrankenlose Freiheit des einzelnen, absolute Vereinigungsfreiheit, unschränktes Privateigentum usw., also Dinge, die heute eher dem liberalen Credo zugerechnet werden." Die Autoren begehen hier den gewaltigen Fehler, die Absichten und Wünsche der Anarchisten für die Wirklichkeit zu halten. Das "volkstümliche" Urteil abstrahiert korrekterweise davon und hält sich an das, was Anarchismus wirklich mit sich bringt. Man sah oder sieht es in Bosnien, im Libanon, in Süd-Afrika oder Nord-Irland, auch in einigen amerikanischen Innenstädten. Was die Anarchisten verwerfen ist nicht der Staat, sondern die Tatsache, dass es ein grundlegendes Bedürfnis gibt, die Gewalt in einer Gesellschaft objektiven Maßstäben zu unterwerfen. Das zählt, nicht was die Anarchisten subjektiv wollen.



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