Der Preis der Prinzipienlosigkeit
Wenn sich von der FDP außenpolitische Inspiration verspricht, dem sei angeraten, die jüngste Presseerklärung des außenpolitischen Sprechers der Partei, Dr. Werner Hoyer, zur Lage im Irak näher zu studieren. Ein verantwortungsbewußer Redakteur einer Zeitung würde diesen Text sicherlich sofort dem Papierkorb anvertrauen, aber der Text dient vorzüglich dem Zweck, die FDP vorzuführen, weil er ein eklatantes Dokument der außenpolitischen Prinzipienlosigkeit dieser Partei ist. Ohne Bezugnahme auf abstrakte Prinzipien können wir konkrete Probleme nicht begreifen, geschweige denn beurteilen oder lösen. Nur Prinzipien, schreibt Ayn Rand in "The Anatomy of Compromise", befähigen einen Menschen seine Zukunft planen und diesen Plan auch umzusetzen. Hoyers Text verzichtet auf abstrakte Prinzipien und so taumelt der Autor von einem Konkretum zum nächsten. Was bleibt, ist ein Pragmatismus des Augenblicks, der am Montag ein hartes Durchgreifen der Amerikaner im Irak fordert, am Dienstag einen sofortigen Abzug mit Bürgerkriegsgarantie und am Mittwoch vielleicht ein Engagement der Vereinten Nationen. Hoyers Presseerklärung trägt die Überschrift "NATO-Einsatz im Irak nicht herbeireden". Im Text selbst wird allerdings auch das direkte Gegenteil davon gefordert: "Deutschland könnte sich der Zustimmung zu einem solch gearteten Einsatz ... im Irak kaum verschließen." Die wesentlichen Aussagen der Presserklärung könnte man vielleicht so zusammenfassen: Eine Alternative zum Besatzerstatus der US-Truppen muss gefunden werden, aber es geht nicht einfach um eine Übernahme der Besatzungsrolle der Amerikaner. Ein Irak-Einsatz der NATO sollte nicht herbeigesehnt oder herbeigeredet werden, aber Deutschland könnte sich der Zustimmung zu einem solchen Einsatz kaum verschließen. Eine deutsche Beteiligung an einem solchen Einsatz wäre dann keine Grundsatzfrage mehr, aber es wäre fraglich, ob eine kaputt gesparte Bundeswehr zu einem solchen Einsatz in der Lage wäre. Auch die Beteiligung deutscher Offiziere in multinationalen NATO-Stäben wäre dann keine Kardinalfrage mehr. Und dies alles unter der Überschrift "NATO-Einsatz im Irak nicht herbeireden". Was soll irgendein Wähler in Deutschland, selbst wenn er der FDP wohlgesonnen ist, mit solchen Aussagen anfangen? Es könnte sich natürlich um eine Frage der Taktik handeln, d. h. Hoyer befürwortet tatsächlich einen NATO-Einsatz im Irak durch einen Beschluss der UN, verbirgt dies aber hinter einer scheinbaren Ablehnung einer solchen Forderung. Dies ändert natürlich nichts an der grundlegenden Einschätzung des Textes. Zur konkreten Situation im Irak äußert sich Werner Hoyer allerdings auch in einem Satz: "Natürlich dürfen die USA und ihre Verbündeten im Irak dem momentan auflodernden Widerstand nicht nachgeben." Wieder zeigt Hoyer eine Mentalität, die in der konkreten Situation des Augenblicks verhaftet bleibt, ohne diese Situation in einen größeren Kontext stellen zu können. Vielleicht hätte sich Hoyer Anregung bei der Financial Times Deutschland holen sollen, die immerhin auf die Schädlichkeit eines Appeasements gegenüber Terroristen sehr deutlich hinweist: "Dass Problem ist nicht, dass die USA bisher zu wenig Rücksicht genommen hätten. Sie haben zu viel genommen. Statt von Anfang an hart gegen al-Sadr vorzugehen, haben sie versucht, ihn zu 'befrieden', und ihn so nur gestärkt. Deshalb müssen sie jetzt umso entschlossener vorgehen. Dieser Krieg wird eben nicht im Frieden gewonnen, sondern im Krieg."
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