Samstag, April 24, 2004

Ein Japaner in Arabien
Für Araber scheint Japan eine besondere Faszination zu haben, weil dieses Land den Eindruck erweckt, moderne Technologie lasse mit sich mit einer anti-westlichen Kultur kombinieren. In einem Artikel einer arabischsprachigen Zeitschrift bespricht der Autor Muhammad Al-Rumayhi das Buch "Die Araber: Eine japanische Sichtweise" von Nobuaki Notohara (eine deutsche Übersetzung des Artikels in Auszügen gibt es hier), einem japanischen Wissenschaftler, der seit Jahrzehnten im Mittleren Osten lebt, wobei er auf diese Faszination zu sprechen kommt:

"Immer wenn sich Araber auf einer wissenschaftlichen oder kulturellen Konferenz treffen und die Rede auf Japan kommt, vergleichen die meisten Teilnehmer den erfolgreichen Aufstieg (arab. Nahda/Renaissance) Japans mit dem nur ersehnten Aufschwung der Araber. Es heißt dann, dass Japan in der Moderne ankommen und gleichzeitig seine Gesellschaftskultur bewahren konnte. Offenbar ist dies die gängige Einschätzung unter den arabsichen Beobachtern, denen sie als Apologie oder Rechtfertigung dient, die darauf abzielt zu sagen: 'Man kann ins Zeitalter der Modernisierung, der Globalisierung und Produktivität eintreten, ohne sein kulturelles Erbe, traditionelle politische Strukturen sowie allgemeine und besondere Verhaltensmustern, die nicht in die Moderne passen, aufgeben zu müssen.'

Aber Al-Rumayhi stellt diese Sichtweise in Frage:

"Wenn man ihnne aber entgegenhält, dass die Japaner ins neue Zeitalter vorgedrungen sind, gerade weil sie ihre Kultur und ihre vertrauten Verhaltensmuster verändert und neue Ideen angenommen haben, reagieren manche überrascht und abwehrend. (...)
Und jetzt erscheint mit Nobuaki Notohara ein Japaner auf der Bildfläche und vertritt in seinem in hervorragendem Arabisch geschriebenen Buch genau das Gegenteil von dem, was einige Araber so denken. Gleich nach der Lektüre dieses Buches dieses Buches hatte ich den Gedanken, dass es von jedem arabischen Politiker gelesen werden sollte, der meint, dass Reformen in unserer arabischen Region immer noch möglich sind."


Im Rest der Besprechung ist bedauerlicherweise eine ziemlich verworrene Analyse des Zustandes der arabischen Welt, mit besonderer Betonung der politischen Unterdrückung in diesen Ländern, als sei dies des Pudels Kern der arabischen Misere. Es fehlen Hinweise auf die zentrale Bestandteile dessen, war wir als Westliche Zivilisation bezeichnen, wie Vernunft oder individuelle Rechte. Aber der Autor läßt keinen Zweifel daran, dass sich Japan von "vielen seiner alten Werte getrennt" hat und dass das "arabische Wertesystem" ebenfalls einer Erneuerung bedarf.




Freitag, April 23, 2004

Die Zeichen des Kapitalismus im Irak
Daniel Pipes fordert in einem Artikel für die New York Sun den Rückzug der amerikanischen Besatzungstruppen aus den großen Städten des Irak und schließlich aus dem gesamten Land. Vor allem zwei Faktoren sind es, die Pipes für den anti-amerikanischen Terror im Land verantwortlich macht: Zunächst seien die Iraker anders als die Deutschen und Japaner am Ende des 2. Weltkrieges nicht militärisch geschlagen worden, sondern hätten sich befreit gefühlt. Außerdem seien sie als Moslems nicht bereit, sich von Nicht-Moslems beherrschen zu lassen: "Für Muslime ist die Beherrschung durch einen Nicht-Muslim eine Abscheulichkeit, eine blasphemische Verdrehung von Gottes Erlass." Pipes unternimmt dann einen Streifzug durch die Geschichte, um seinen Lesern zu zeigen, wie eindrucksvoll sich die Moslems allen Beherrschungsversuchen von Nicht-Moslems widersetzten. Worauf Daniel Pipes allerdings nicht eingeht, ist die konkrete Situation im Irak des Jahres 2004. Wer sich die Ausführungen von Pipes nur mit den Fernsehbildern dieser Tage aus dem Irak ergänzt, kann ihnen eine gewisse Logik und Konsistenz nicht absprechen, wenn auch die Vorstellung, dass das Gefühl der Befreiung nicht in eine Dankbarkeit, sondern in einen Hass auf den Befreier mündet, doch etwas seltsam wirkt. Aber wollen "die Iraker" tatsächlich eine amerikanische "Beherrschung" abschütteln? Jüngste Meinungsumfragen aus dem Irak belegen dies nicht. Pipes Analyse steht auch in einem augenfälligen Kontrast zu den Schilderungen, die Robert Alt vom John M. Ashbrook Center for Public Affairs an der Ashland University auf nationalreview.com über die Situation im Irak macht, den er zur Zeit für vier Monate besucht. Alt schreibt über die Aufregung und Freude der Iraker, wenn sie erfahren, dass er aus Amerika sei. Sofort wird gefragt, aus welcher Gegend Amerikas er denn komme und immer wieder gebe aus den Ausruf: "I love America." Ohne dazu ermuntert worden zu sein, erzählen ihm dann seine irakischen Gesprächspartner von ihrem schlimmen Leben unter Saddam Hussein. Alt beobachtete nicht nur eine allgemeine Verbreitung von westlichen Produkten, sondern auch eine starke Verbreitung westlicher Kultur, augenfällig besonders bei der Bekleidung. Vor allem junge Frauen verzichten auf das traditionelle irakische Gewand zugunsten von stärker figurbetonter Bekleidung. "Überall in Bagdad", schreibt Alt, "sieht man Zeichen des Kapitalismus." Und er schreibt darüber, wie weit dieses Land doch in nur einem Jahr auf der Straße der Freiheit und des Kapitalismus vorangekommen sei. Ein bißchen mehr Optimismus, Mr. Pipes!

Donnerstag, April 22, 2004

Daniel Pipes: Anti-israelischer Terror geht nach hinten los
Einen Tag, nachdem israelische Soldaten ihren zweiten Anführer innerhalb eines Monats tötete, setzte die islamistische Terror-Organisation Hamas die Maske des Mutes auf. Die Israelis „träumen", sollten sie denken, das würde die Hamas schwächen, verkündete Ismail Haniyeh einer Menge von mehr als 70.000 Trauernden auf der Beerdigung von Abdel Aziz Rantisi. „Jedesmal, wenn ein Märtyrer fällt", darauf bestand Haniyeh, „wird die Hamas stärker."

Diese Art der Überschwänglichkeit und die Stimmung zu heben hat bei den Palästinensern eine lange Tradition. Beim letzten Mal, als die israelischen Streitkräfte der palästinensischen Kriegsmaschine richtig Schaden zufügten – im Mai 2002 – verkündete z.B. Khaled Meshaal von der Hamas, dass die israelische Verwüstung in Wirklichkeit „ein palästinensischer Sieg war, der die Moral unseres Volkes hob". Um dahinter nicht zurückzustehen, behauptete Yassir Arafat von der Palästinensischen Autonomiebehörde im selben Monat: „Je mehr Zerstörung ich sehe, desto stärker werde ich."

Diese Führer können sich selbst zum Narren halten, indem sie vorgeben, dass die Niederlage Sieg sei, aber eine wachsende Anzahl Palästinenser wird durch die bitteren Realitäten, dass ein Krieg verloren geht, schlauer.

Der vollständige Text von Daniel Pipes in deutscher Sprache hier

Mittwoch, April 21, 2004

Kein Zusammenhang zwischen Jugendarbeitslosigkeit und Kriminalität
Der Kriminologe Karl F. Schumann hat in einer Studie ermittelt, dass es keinen Zusammenhang zwischen Jugendarbeitslosigkeit und Kriminalität gibt. Der Wissenschaftler von der Universität Bremen zeigte sich im ARD-Morgenmagazin selbst überrascht über das Ergebnis der Studie. Auch eine Umfrage unter Passanten des Fernsehsenders hatte ergeben, dass diese fast ausnahmslos an einen solchen Zusammenhang glaubten. Offenbar ist in unserer Kultur die marxistische Vorstellung, dass "das Sein das Bewußtsein" bestimmt, weit verbreitet. Wer allerdings davon ausgeht, dass Menschen keine Puppen, sondern denkende Wesen sind, den kann ein solches Ergebnis nicht überraschen. Menschen sind rationale Wesen, die von ihren Ideen bewegt werden. Das, was ein Mensch denkt, bestimmt seine Handlungen. In den Jahren von 1960 bis 1980 verdreifachte sich der Kriminalitätsindex in den USA. Dies war die Zeitspanne, in der die Werte der Gegenkultur die Werte des 19. Jahrhunderts und des frühen 20. Jahrhunderts, wo es eine geringe Kriminalitätsbelastung gegenben hatte, verdrängten: "Was sich änderte, waren die Ideen und die Werte, die Amerika beherrschten", schreibt der Philosoph Leonard Peikoff in seinem Aufsatz What to do about Crime. Die letzten Jahrzehnte hätten ein "Füllhorn" von Rationalisierungen für Verbrecher geliefert: "All die grundsätzlichen Ideen des krimininellen Geistes, jede einzelne von ihnen, war Bestandteil des offiziellen Kredos der Intellektuellen und ihrer Kultur." Hätte der deutsche Kriminologe Peikoffs Aufsatz gekannt und verstanden, hätte ihn wohl das Ergebnis seiner eigenen Studie nicht so überraschen können.

Dienstag, April 20, 2004

In Erinnerung an Fabrizio Quattrocchi
Michael Ledeen erinnert auf nationalreview.com an die Ermorderung der italienischen Geisel Fabrizio Quattrocchi im Irak. Der Italiener mußte sein eigenes Grab ausheben und die Terroristen hatten schon die Kameras in Position gebracht, um seine Ermordung zu filmen. Aber etwas ging schief. Seine Peiniger hatten ihm eine Kapuze aufgesetzt und forderten ihn auf, sich hinzuknien. Aber Quattrocchi versuchte die Kappe zu entfernen und schrie die Terroristen verächtlich an: "Ich werde euch zeigen, wie ein Italiener stirbt." Diese Szene war ein Propaganda-Desaster für die Terroristen, schreibt Ledeen. Es zeigte westliche Tapferkeit, keine ararbische Dominanz. Dies war der Grund, warum arabische Fernsehsender den Film nicht senden wollten.

Montag, April 19, 2004

Unsere Generation kennt das wahre Böse nicht
Für Michael Duff ist Daniel Jonah Goldhagens Buch Hitlers willige Vollstrecker nicht nur bemerkenswert für das, was es über die Nazi-Zeit sagt, sondern auch für das, was es über unsere Zeit sagt. Folgt man Duff, ist die Meinung von Konrad Löw, der die Masse der Deutschen für unschuldig an der Nazi-Diktatur hält, in den USA tatsächlich weit verbreitet. Sofort nach dem Ende des Krieges hätten Wissenschaftler versucht, das deutsche Volk aus der Verantwortung für seine Handlungen während des Holocaust zu entlassen, schreibt Duff. Goldhagen würde diese Perspektive aus den Kopf stellen, indem er zeige, wie gewöhnliche Deutsche bereitwillige Teilnehmer am Genozid waren. Duff will allerdings gegenüber den Deutschen nicht unter die Gürtellinie schlagen: "Die meisten dieser Kriminellen sind tot, und ich glaube nicht an eine Verantwortlichkeit über Generationsgrenzen hinaus." Auch wähle er sie nicht aus, um von der eigenen Geschichte abzulenken: "Die amerikanischen Siedler haben Dinge mit der Urbevölkerung getan, die die Nazis stolz gemacht hätten." Aber Duffs Blick geht in seinem Aufsatz nicht so sehr in die Vergangenheit, sondern handelt von unserer Gegenwart, von der kulturellen Zensur, die uns unfähig mache, zu denken: "Wir benutzen Wörter wie verrückt, bösartig oder böse ohne wirklich zu wissen, was sie bedeuten." Goldhagens Buch würde uns daran erinnern, dass es das wahre Böse in der Welt wirklich gibt. Dass das Böse nicht nur eine Sache von Hollywood-Filmen ist. Und die Kapazität für das Böse, läge in dem, was uns beigebracht würde, zu glauben. Duffs letzter, etwas pathetischer, Satz, wo er sagt, dass "das Potential für das Böse im Herzen jedes Menschen" liege, verkennt allerdings, dass das Potential für das Böse im Geist jener Menschen liegt, die dort böse Gedanken abgespeichert haben. Lügen, emotionale Appelle und Gruppendruck können nur dort Unheil anrichten, wo derartige psychologische Mechanismem auf fruchtbaren Boden fallen.

Sonntag, April 18, 2004

Schuld und Unschuld in der Diktatur
Konrad Löw hat in das politisch korrekte Wespennest gestochen, indem sich der Frage der Schuld der Deutschen während der Nazi-Diktatur auf eine Weise genähert hat, die die Herausgeber der Zeitschrift Deutschland-Archiv aufs Äußerste empört hat (siehe hierzu Die Welt). Die Herausgeber der Zeitschrift, die Bundeszentrale für politische Bildung und der W. Bertelsmann Verlag entschuldigten sich bei allen Abonnenten für Löws Aufsatz "Deutsche Identität in Verfassung und Geschichte" aus dem aktuellen Heft 2/2004 und wollen auch die restliche Auflage des Heftes nicht mehr verkaufen. Nun muss man sicherlich einräumen, dass die Eigentümer eine Zeitschrift natürlich das Recht haben, sich bei den Abonnenten zu entschuldigen und auch eine Restauflage einzustampfen. Dies hat mit Zensur absolut nichts zu tun. Die Frage, wie das Verhalten der Bürger innerhalb einer Diktatur moralisch zu bewerten ist, ist allerdings keineswegs einfach zu beantworten und die von Konrad Löw vertretene Auffassung stellt sicherlich eine theoretisch mögliche Antwort dar. Löw beschreitet auch keineswegs die Pfad des historischen Revisionismus, der das Nazi-Regime durch Leugnung aller oder eines Teils seiner Verbrechen moralisch entlasten will, was die Reaktion der Herausgeber hätte verständlich erscheinen lassen. Löw entschuldigt die Normal-Deutschen dieser Zeit. Seine Entlastung gilt zunächst einmal denen, die Hitler in der Weimarer Republik durch ihre Stimmabgabe mächtig machten: "Für Hitlers rasanten Aufstieg gibt es nur eine Erklärung, nämlich die sprunghaft steigende Arbeitslosigkeit, die schier unvorstellbare Not, gegen die die etablierten Parteien offenbar kein Rezept hatten; Hitlers Antiseminitismus spielte eine untergeordnete Rolle." Man erkennt bereits an diesem Argument, dass Löw äußerst gnädig mit den Hitler-Wählern umspringt. Es folgt keine moralische Bewertung des Verhaltens dieser Wähler und Löw versucht auch nicht, sich der Gedankenwelt dieser Wähler zu nähern, denn der Zustand der Arbeitslosigkeit als alleinige Erklärug für die Wahl einer Partei, die recht offen eine Diktatur als Lösung gesellschaftlicher Problem empfahl, erscheint doch recht oberflächlich. Auch die Zeitspanne der Dikatatur selbst nennt Löw die durchaus bekannten Argumente der Entschuldigung für die deutschen Durchschnittsbürger dieser Zeit, also mangelndes Wissen über die Verbrechen, die zunächst nur geringe Anzahl solcher Verbrechen, die Annahme, es handle sich um Exzesse oder Hitler wüßte davon gar nichts etc. Daher seine Schlussfolgerung: "Wir dürfen nicht zögern, die Verbrechen des NS-Regimes als wichtigen Teil der deutschen Geschichte, der deutschen Identität zu bekennen. Aber wir sollten jenen entgegentreten, die allgemein von deutscher Schuld sprechen, wenn damit gemeint ist, daß die große Mehrheit der damals lebenden Deutschen mitschuldig gewesen sei an einem der größten Verbrechen in der Menschheitsgeschichte." Die Gegenposition zu der von Löw können wir bei Ayn Rand in einer Fragestunde im Ford Hall Forum aus dem Jahr 1976 beobachten. Die Antworten von Rand sind auf der Website des Ayn Rand Institute veröffentlicht worden, allerdings mit dem Hinweis, dass Rand diese Version nicht ausdrücklich gebilligt habe. Die Frage an Rand zielte allerdings nicht auf Nazi-Deutschland, sondern es ging hier um die Sowjetunion, aber ihre Antwort behandelt das von Konrad Löw aufgeworfene Problem der moralischen Verantwortung der Bürger in einer Diktatur. Rand sagt über die Situation in der Sowjetunion: "In Sowjetrussland gibt es nicht sehr viele Unschuldige, und sie sind hauptsächlich in Konzentrationslagern." Dann sagt sie, dass ein politisches System, ob gut oder schlecht, in "unserem Namen" etabliert wird und wir Verantwortung dafür tragen. Wer das Land nicht verlasse, der akzeptiere es, heißt es weiterhin. In einem Radio-Interview aus dem Jahre 1960 vertritt Rand allerdings die Auffassung, dass ein Mensch, der mit dem Tode bedroht wird, für seine Handlungen nicht mehr verantwortlich gemacht werden kann. Dies sei eine Notfallsituation, und was immer dieser Mensch tue, sei richtig. Man könne nicht erwarten, dass ein Mensch sein Leben opfere für einen anderen Menschen, wenn es nicht seine Schuld ist, die ihn in diese Position gebracht hat. Dieses Argument erwähnt Rand allerdings nicht in der oben erwähnten Antwort auf die Frage nach den Unschuldigen in Sowjetunion. Wenn man sich eine Person in Deutschland während der nationalsozialistischen Diktatur vorstellt, die vor 1933 immer sozialdemokratisch gewählt hat, danach weder in der NSDAP war, nicht am Krieg teilgenommen hat, niemanden denunziert hat, in keinem Rüstungsbetrieb gearbeitet hat, dann muss man sicherlich sagen, dass die individuelle Schuld dieser Person relativ gering ist. Für Löw wäre sie sogar nichtexistent, aber auch diese Person hat das Land nicht verlassen und auch diese Person hat mit ihrer Arbeit zum Überleben des Systems beigetragen. Personen, die dem Regime näher standen, haben sicherlich noch mehr Schuld auf sich geladen. Wer aus welchem Grunde überhaupt schuldig ist, erfährt man bei Löw an keiner Stelle. Der entscheidenden ethischen Frage, wann Menschen, die in einer Diktatur leben, für ihre Taten verantwortlich gemacht werden können oder wann nicht, wendet sich der Politikwissenschaftler Löw so zu, als sei dies offensichtlich: "Das Grundgesetz deklariert in Art. 20 (4) das Recht zum Widerstand. Von Pflicht ist nicht die Rede. Wo ist die Ethik, die ohne Rücksicht auf eigene Gefährdung den Widerstand gegen eine mörderische Gewalt zur Norm erhebt." Löw unterstellt hier, dass es nie Alternativen des Handelns für die Menschen in Deutschland gab, dass immer eine mörderische Gewalt mit dem Gewehr in der Hand die Bürger in einen entschuldigenden Notstand versetzte. Aber war dies die Realität? Man kann sicherlich viel gegen Willy Brandt als Politiker vorbringen, seine Nachgiebigkeit gegenüber dem Kommunismus, seine Politik des Wohlfahrtsstaates und der "Demoratisierung", die Eigentumsrechte verletzte, aber man kann ihm nicht vorwerfen, Deutschland verlassen zu haben. Dies war eine moralische Tat. Und sie stellt das Handeln derjenigen in Frage, die seinem Beispiel nicht folgten. Ein Massenexodus aus Deutschland 1933 hätte das sich etablierende Nazi-Regime wahrscheinlich schon frühzeitig zu einem schnellen Ende geführt. Wir alle wissen, dass es nicht so kam.