Freitag, Juni 18, 2004

Fanatiker oder Pragmatiker?
Wolfgang Münchau bezeichnet in einem Kommentar in der Financial Times Deutschland vom 8. Juni Präsident George W. Bush als "konservativen Fantiker", den verstorbenen Ronald Reagan hingegen als "konservativen Pragmatiker". Beide Politiker ähneln sich allerdings so stark, dass derartig unterschiedlichen Charakterisierungen absurd erscheinen. Am 10. Juni druckte die FTD meinen Leserbrief zu dem genannten Artikel ab:

"Wolfgang Münchau bezeichnet Reagan als konservativen Pragmatiker, Bush jr. als 'konservativen Fanatiker'. Was den Fanatiker vom Pragmatiker unterscheidet, erklärt Münchau nicht. Er gibt nur den Hinweis, dass Reagan 'bedingt ein Überzeugungstäter' gewesen sei. Das ist als Hinweis auf das, was einen Pragmatiker ausmacht, recht gut zu gebrauchen. Es ist jemand, der Prinzipien als unpraktisch ablehnt und stattdessen eine Politik befürwortet, die für den Augenblick 'funktioniert'. An derartigen Politikern besteht kein Mangel, weder in Deutschland noch in Amerika, und tatsächlich lassen sich Reagan und Bush jr. als pragmatische Politiker definieren. Nur führte Reagan keinen größeren Krieg, was ihn für Münchau augenscheinlich sympathischer macht. Nur: Welchen Gewinn kann eine Nation, die auf den Prinzipien von Individualismus, Säkularimus und Kapitalismus gegründet wurde, daraus ziehen, wenn Politikern diese Prinzipien ignorieren? Der Sieg des Pragmatismus führt zu einem Verlust dieser Prinzipien und der Werte."

Am Montag, den 14. Juni, druckt die Zeitung einen weiteren Leserbrief ab. Maximilian O. scheint Münchaus Einschätzung von Bush als Fanatiker zuzustimmen, sieht dies aber durchaus als positiv an:

"Sie bezeichnen George W. Bush als einen konservativen Fanatiker. Das versuchen Sie durch das Scheitern seiner Verbündeten zu erklären. Weiterhin gestehen Sie Reagan ausgesprochene Bündnisfähigkeit zu. Aber waren die Bündnispartner Thatcher und Gorbatschow nicht von anderem Format als die 'Partner', die dem heutigen Präsidenten zur Verfügung stehen? Ein Kanzler, der aus wahltaktischen Gründen sein 'Nein' zum Krieg verkündete. Ein russischer Präsident, der aus wirtschaftlichen Gründen die Unterstützung versagte - von den französischen Neinsagern ganz zu schweigen. Mir ist ein 'konservativer Fanatiker' lieber als die Pragmatiker der heutigen Zeit. Insbesondere Thatcher und Kohl waren 'fanatisch'. Thatcher wurde von ihren Gegnern für ihre 'kompromisslose Politik' gehasst. Kohl hielt fanatisch daran fest, die Wiedervereinigung zu erzwingen. Bush wusste, das ein Krieg ihm erheblich zusetzen kann, schließlich hat Bush. Sen. nicht zuletzt wegen des Golfkrieges die Wiederwahl verpasst. Politiker solchen Formats sind selten geworden und deswegen werden Bündnisse schwieriger, wenn nicht gar unmöglich. Ich stimme Ihnen also zu, dass Bush ein 'konservativer Fanatiker' ist, und wünsche mir mehr Politiker, die in dieser 'anderen Liga' spielen."

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