Mittwoch, Januar 21, 2004

Das Gespenst des Pflichtdienstes
In dem Maße indem sich die Aussetzung der Wehrpflicht und des Zivildienstes in Deutschland abzeichnet, werden auch die Stimmen immer lauter, die stattdessen ein soziales Pflichtjahr für Männer und Frauen fordern. Nicht nur Politiker von SPD und CDU (auch die Partei Rechtsstaatlicher Offensive fordert eine "schnellstmögliche Umsetzung" eines Pflichtjahres) sind von dieser Idee fasziniert, auch in der Bevölkerung -wie Meinungsumfragen ausweisen (eine Umfrage auf tageschau.de ergibt 61 % Zustimmung für ein Pflichtjahr, bei einer Erhebung im Auftrag von "Bild am Sonntag" und RTL waren es 70 %)- findet ein solcher Zwangsdienst breite Zustimmung. Christian Schütte schreibt in einem Kommentar in der Financial Times Deutschland, dass dies ein Moment sei, "in denen die tatsächliche Geistesverfassung des Landes in geradezu niederschmetternder Weise sichtbar wird." Diese Idee gehöre schleunigst vom Tisch, auch aus verfassungsrechtlichen Gründen: "Die Argumente gegen einen sozialen Zwangsdienst für jeden Jugendlichen sind banal und schlagend, dass es geradezu peinlich ist, sie noch einmal aufschreiben zu müssen. Zuerst und ganz einfach: Eine solche Arbeitspflicht ist verfassungswidrig. Höhere Staatsräson, die eine Wehrpflicht rechtfertigen kann, lässt sich für die Zwangsrekrutierung in die Sozialstationen nicht anführen." Sollte die "Staatsräson" nicht daraus bestehen, die Individualrechte zu schützen, und nicht sie zu verletzen? Die Auffassung, dass eine Wehrpflicht verfassungsrechtlich zulässig wäre, obwohl sie das Recht auf Leben infrage stellt, ein sozialer Zwangsdienst, der zumindest das Überleben des Opfers garantiert, aber grundgesetzkonform wäre, wirft kein gutes Licht auf das Grundgesetz, oder auf dessen Interpretation durch das Bundesverfassungsgericht. Auch nicht auf die FDP, die diese Auffassung teilt. Wie immer auch das Grundgesetz dieses Problem behandelt, es muss deutlich werden, dass aus einer individualistischen Weltsicht alle Zwangsdienste zu verwerfen sind, weil das Leben und die Anstrengungen eines Menschen nicht dem Staat gehören.

Für Ayn Rand war die Wehrpflicht von allen Verletzungen der individuellen Rechte in einer gemischten Wirtschaft die schlimmste: "Sie negiert das fundamentale Recht des Menschen -das Recht auf Leben- und etabliert das fundamentale Recht des Etatismus: dass das Leben eines
Menschen dem Staat gehört, und der Staat darf es dadurch beanspruchen, dass er ihn zwingt, es im Kampf zu opfern." Für ein freies Land ist einzig eine Freiwilligenarmee der richtige, moralische Weg die Verteidigung der Nation zu organisieren. Auch eine allgemeine Dienstpflicht außerhalb des militärischen Sektors ist ein kollektivistischer Eingriff in die Rechte des Individuums. Dem Kollektiv wird das Recht zugestanden, auf Individuen als Arbeitssklaven auf Zeit zurückgreifen zu können. Dem Individuum wird auf der anderen Seite sein Recht auf Freiheit genommen. Eine solche Politik ist Ausdruck der Ethik des Altruismus, die in der Aufopferung des Individuums das höchste moralische Ideal sieht. Die Altruisten interessieren sich nur für die, die leiden, nicht für jene, die dem Leiden abhelfen könnten, nicht einmal dafür, ob sie in der Lage sind, zu überleben. Eine solche Ethik ist ohne Zwang nicht umsetzbar, wie wir deutlich an Forderungen nach einer allgemeinen Dienstpflicht sehen. "Altruismus ist unvereinbar mit Freiheit, mit Kapitalismus und mit individuellen Rechten. Man kann nicht das Streben nach Glück mit dem moralischen Status eines Opfertieres kombinieren", schreibt Rand in ihrem Buch The Virtue of Selfishness .
Und man lasse sich nicht dadurch täuschen, dass nicht-philosphische, eklektische Altruisten die Freiwilligkeit von Opferhandlungen propagieren. Mit einem philosophischen Altruismus ist die Anwendung von Gewalt zur Erzwingung des Opfers absolut vereinbar.

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