Anti-Kapitalismus, Anti-Semitismus, Anti-Amerikanismus
Wolfgang Münchau hat einen sehr interessanten Beitrag für das britische Magazin Spectator verfaßt, der auf der englischen Ausgabe des Kosmoblogs abgedruckt ist. Münchau beobachtet, dass in den 60er und 70er Jahren jeder in Deutschland über Geld und Arbeit gesprochen habe: "Das Land war zum Verzweifeln materialistisch." Münchau beschreibt dann seine Rückkehr nach Deutschland in der 90er Jahren, wo er einen erhebliche Rückgang an Selbstbewusstsein in der politischen und ökonomischen Klasse feststellte, und vor allem einen gefährlichen Cocktail aus den drei großen A's: Anti-Amerikanismus, Anti-Semitismus und Anti-Kapitalismus. Münchau weist richtigerweise darauf hin, dass die Deutschen den Begriff Kapitalismus im (negativen) Sinne von Karl Marx verwenden und die Intellektuellen die Marktwirtschaft nie akzeptiert hätten. So fordere der Philosoph Habermas einen europäischen Staat mit einer eigenen Armee, nicht als Wert an sich, sondern als Gegengewicht gegenüber Amerika. Auf der Website des Spectator können Leser darüber abstimmen, ob sie den Argumenten dieses Artikels zustimmen: 79 % stimmen zu, 21 % nicht. Nicht nachvollziehbar ist allerdings Münchaus unkritische Bewertung der siebziger Jahre. Dieses Jahrzehnt brachte Deutschland eine massive Linksideologisierung, mit Folgen, die noch heute spürbar sind. Die Jungsozialisten in der SPD forderten Investitionslenkung, eine Einkommensbeschränkung auf maximal 5 000 DM, die Ökologiebewegung gewann Anhängerschaft besonders bei jungen Leuten, aggressive K-Gruppen machten von sich reden usw. Die Linke befand sich eindeutig in der Offensive, weil sie an ihre Vision glaubte und Schritte zu ihrer Verwirklichung unternehmen wollte. Heute befindet sich die Linke in der Defensive. So formuliert etwa die linksextreme Wahlalternative für Arbeit und soziale Gerechtigkeit auf ihrer Website: "Die politische Chance eines breiten anti-neoliberalen Bündnisses ist da."
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