Mittwoch, November 19, 2003

Sucht und freier Wille
Bei der Diskussion um das Problem Alkoholismus wird mit großer Selbstverständlichkeit davon ausgegangen, dass es sich hierbei um eine Krankheit handelt. Dabei wird diese Sichtweise als besonders human und fortschrittlich gepriesen. Krankheit bedeutet, dass wie bei einer Krebs- oder Alzheimer-Erkrankung ein vom Willen des Betroffenen unabhängiger schädlicher Prozess abläuft. Dies soll auch bei Alkoholismus der Fall sein.
So betont der Arzt Dr. Hubert C. Buschmann ausdrücklich: "Es ist ganz wichtig zu wissen, dass Alkoholismus eine Krankheit ist. Sie ist kein dem freien Willen des Kranken unterliegendes Fehlverhalten, das durch gute Vorsätze allein oder vielleicht durch Strafen oder Androhungen von Konsequenzen eingestellt werden kann." Nie wird auch vergessen zu erwähnen, dass in Deutschland Alkoholismus seit 1968 als Krankheit anerkannt ist, als wäre dies ein göttlicher Entscheid, der jede weitere Diskussion ausschließen würde. Die Debatte, ob Alkoholismus eine Krankheit ist oder nicht, ist allerdings keineswegs rein akademischer Natur. Alkoholismus als Krankheit bedeutet, dass die Krankenkassen für entsprechende Entziehungsmaßnahmen und die Rentenversicherungsträger für den vorzeitigen Ausstieg aus dem Berufsleben bezahlen müssen. Alkoholmissbrauch ist bei Männer mittlerweile die häufigste Ursache für einen vorzeitiges Ausscheiden aus dem Berufsleben.

Kurioserweise wird allerdings gleichzeitig darauf hingewiesen, dass bei der Heilung des Patienten der unbedingte Wille zur Abstinenz Voraussetzung des Heilungerfolges ist. Dies ist natürlich widersprüchlich, denn wenn die Krankheit dem eigenen Willen entzogen ist, müßte dies auch für die Heilung gelten. Der Psychologe Michael Hurd sieht einen grundsätzlichen Unterschied zwischen Krankheiten wie MS oder Krebs und Alkoholismus: "Das Suchtproblem dauert an oder hört auf entsprechend der Entscheidungen der süchtigen Person. Krebs oder MS sind physiologische Erkrankungen, die, einmal gegenwärtig, weiterhin andauern, ob der Patient wünscht, dass sie andauern oder nicht."

In philosophischen Kategorien ausgedrückt geht um die Frage Determinismus oder freier Wille. Auf der einen Seite stehen die, die sagen, dass Sucht etwas ist, das den freien Willen ausschaltet, das jemanden zwingt, etwas zu tun - Drogen, Sex, Spielen usw. Auf der anderen Seite sind diejenigen, die sagen, dass eine Person immer eine Entscheidungsmöglichkeit hat, dass sie selbst für ihre Handlungen verantwortlich ist. Wenn sie aufhören will, sollte sie es einfach tun. Der Objektivismus stellt sich uneingeschränkt auf die Seite der Vertreter des freien Willens. Diese Seite sieht im Determinismus eine selbsterfüllende Prophetie, wo ein moralisches Urteil unmöglich ist, wo die Entscheidungsfreiheit eine Illusion ist, und jedermann eine Entschuldigung für jede Art von Verhalten bekommt.

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